Das museale Angebot wird ergänzt durch einen über 20 Quadratmeter großen Ausstellungsraum mit entsprechenden Wechselausstellungen. Derzeit präsentiert hier Kreisheimatpfleger Gerd Fleischmann die ehemalige Champagnerflaschenfabrik Sigwart & Möhrle aus Stockheim, die von 1877 bis 1930 für einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung in der ehemaligen Bergwerksgemeinde Stockheim sorgte und bis zu 400 Glasbläsern Arbeit bot. Die Präsentation mit mundgeblasenen Champagnerflaschen in einer Größe von bis zu 90 Zentimetern ist einzigartig.
Stockheimer Glasfabrik
Stockheim 1930
Vor über einem halben Jahrhundert – im Jahre 1930 – war die Welt in Stockheim nicht mehr in Ordnung. Die einst bedeutende Glasfabrik Gebrüder Sigwart & Möhrle, 1877 gegründet, schloss in jener Zeit die Fabriktore für immer. 400 Frankenwäldler fanden in dem einst mächtigen Unternehmen über drei Generationen hinweg Arbeit und Brot. Nun standen sie über Nacht vor einem Nichts.
Erschwerend kam noch, dass der Bergbau mit seinen 600 bis 700 Kumpels während der Stilllegungsphase im Februar 1930 ebenfalls darniederlag. In Stockheim sowie im näheren Umland grassierte die Arbeitslosigkeit wie nie zuvor. Kein Wunder, denn der Bergbau und die Glasfabrik beschäftigten etwa 1000 Menschen.
Hoffnungsvoll begonnen
Es hatte ursprünglich hoffnungsvoll begonnen, nachdem die Glasmacher Carl, Heinrich, Franz und Wilfried Sigwart, Schwager Carl Möhrle und Glasmacher Ernst Friedrich – aus Buhlbach im Schwarzwald kommend – 1877 in Stockheim zunächst im alten Schloss, dann ab 1885 unterhalb des Bahnhofs mit mehreren Fachleuten aus dem Königreich Württemberg eine umfangreiche Glasproduktion ins Leben riefen.
Als der Glasfabrikant Wilfried Gottlob Böhringer, ebenfalls aus Buhlbach stammend, das Sigwart-Möhrle-Team mit weiteren Glasbläserspezialisten aus dem Schwarzwald und Böhmen 1879 verstärkte, boomte das Unternehmen förmlich.
Rund um die Uhr arbeiteten an drei riesigen Glasöfen, der letzte wurde 1899 von Civil-Ingenieur Robert Dralle nach dem modernen Siemens-Regenerativ System erbaut – bis zu 400 Beschäftigte.
Wichtige Bedeutung
So hatte die Glasfabrik – es wurden insbesondere Champagnerflaschen (als Spezialität sogar Magnum-Champagner-Flaschen mit 30 Liter Inhalt) produziert – eine eminent wichtige soziale Bedeutung. Viele Menschen aus Stockheim und Umgebung arbeiteten als Glasbläser. In der Firma gab es schließlich vielerlei Beschäftigungsformen. Rund um die Uhr wurde in 16 Werkstätten jeweils 18 Stunden gearbeitet. Nur am jüngsten Wannenofen, dem so genannten Draller, gab es eine Zehnstundenschicht, da diese Anlage ganztägige Belastung nicht vertragen konnte.
Schon während der Weltwirtschaftskrise – der berüchtigte „Schwarze Freitag“ am 24.Oktober 1929 ging in die Geschichte ein – lagen drohende Schatten über der Firma, die noch in Homburg ein Zweigwerk besaß. Streiks sowie die voll einsetzende Wirtschaftsflaute zehrten gewaltig an der Substanz. Hinzu kam die rasante technische Entwicklung.
Die inzwischen veralteten Werkstätten – in Stockheim wurde nur mundgeblasenes Glas produziert – sowie die Ferne der Absatzmärkte waren die entscheidenden Gründe, dass 1930 das Stockheimer Werk etwas überraschend von den Besitzern aufgegeben wurde. Für die Glasmacher kam die Stilllegung ziemlich unvorbereitet, denn ein Wannenofen war gerade erst für 250.000 Mark erneuert worden. Damals bedeutete diese Investition viel Geld. Eine gewisse Verschleierungstaktik durch die Firmenleitung stiftete zusätzlich Verwirrung.
Der Norden modernisierte
Rechtzeitig erkannten dagegen die Glasbetriebe im Landkreisnorden den Trend der Zeit und modernisierten. Bereits 1924 entschlossen sich die Carl-Aug.Heinz Glashüttenwerke für die Automatisierung. 1925 folgten die Glashüttenwerke Hammerschmidt, Kleintettau, sowie die Glaswerke Tettaugrund (TG), 1912 auf genossenschaftlicher Basis gegründet. 1929 schaffte dann Wiegand-Glas in Steinbach/Wald Halbautomaten an. Man war so konkurrenzfähig geblieben und hat bis heute durch stete technologische Innovationen den Stürmen der Zeit mutig getrotzt.
Anders in Stockheim. Der „Fränkische Wald“ schrieb am 5.März 1930 „Mit Schluss der Arbeitswoche wurde am Freitag Abend der Betrieb der Glasfabriken in Stockheim und Homburg stillgelegt.“
Nach der Schließung
der Glasfabrik dämmerten die Werksanlagen noch fünf Jahre vor sich hin. Erst 1936 begann die Demontage. Millionenwerte wurden vernichtet, Illusionen einer heilen Welt zerstört. Das Drama war auch optisch perfekt geworden. Die über 40 m hohen Kamine, die Jahrzehnte von den industriellen Aktivitäten im Haßlachtal kündeten, schienen noch Jahrelang dem Schicksal zu trotzen. Erst 1946 wurde der letzte Zeuge einer glanzvollen Epoche eingelegt.
Heute noch
Gibt es bauliche Zeugnisse der einst stolzen Glasmacherzeit. Da sind die Glasmacherhäuser entlang der Maximilianstraße, die einstmals über 40 Glasmacherfamilien Unterkunft boten, die drei herrschaftlichen Sigwartsvillen an der B85 gelegen (die vierte brannte 1928 ab), einschließlich des großzügig angelegten Parks, sowie das „Dillershaus“ (ehemaliges Bürogebäude)