Objektbeiträge

August 2016 – Von karibischer Piraterie und einer Buddel voll Rum

Albert Heinrich Riise und die Duftnote Bay Rum

Haarwäsche-Flakon „Shampooing Bay-Rum“®; unbekannter Hersteller, St. Thomas/ Dänisch-Westindien, vermutlich vor 1900

Haarwäsche-Flakon „Shampooing Bay-Rum“®; unbekannter Hersteller, St. Thomas/ Dänisch-Westindien, vermutlich vor 1900

Sammlung Wilfried Kohl/ Schenkung 2016

Die legendären Piraten, die einst die Gewässer der Karibik durchkreuzten, lockte keineswegs erholsame Sommerfrische. Auf der Jagd nach unermesslichen Schätzen, blieb jedoch nicht jeder Freibeuter bei der üblichen Methode des Kaperns von Schiffen. Der Gouverneur der dänischen Jungferninsel St. Thomas, Nicolaj Esmit (*1625-†1688) ging – gemäß seiner gesellschaftlichen Stellung – weitaus subtiler vor. Schiffe befreundeter Nationen, die im Hafen seines Amtssitzes Charlotte Amalie vor Anker lagen, mussten die eine oder andere wertvolle Ladung löschen, die Esmit unter dem Vorwand zu langer Liegefristen konfiszierte. Als er sich vor der dänischen Krone verantworten sollte, gab er vor geisteskrank zu sein, was ihn schließlich vor einer Anklage bewahrte. Ob Esmit nun die Gier nach Reichtum oder der unter Piraten beliebte Rum die Sinne vernebelte mag dahingestellt bleiben.

Ein klares Geschäftsmodell – nämlich mit Rum Geld zu verdienen – verfolgte ein dänischer Auswanderer namens Albert Heinrich Riise (*1810-†1882). Dessen war er sich jedoch bei seiner Ankunft auf der Insel St. Thomas im Jahre 1838 noch nicht bewusst. Per Königlichem Dekret erhielt er die Erlaubnis, die St. Thomas-Apotheke an der Queen Street No. 6 in der Hauptstadt Charlotte Amalie zu errichten. Riise hatte ein unbändiges Interesse an der heimischen Botanik, deren Kultivierung ihm mit großem Geschick gelang, u. a. für die Herstellung von Arzneimitteln, Kosmetika und natürlich dem erwähnten Alkohol. Sein einsetzender Wohlstand gründete sich doch zunächst auf ein Duftwasser namens Riise Bay Rum®. Dieses bestand primär aus den wasserdampfdestillierten Blättern des Westindischen Lorbeerbaumes, der umgangssprachlich „Bayrum tree“ oder kurz „Bay“ genannt wurde. Das gewonnene ätherische Öl nutzten bereits die Insulaner zur Kühlung von Gelenk- und Muskelschmerzen, indem sie Rum beifügten. Der Apotheker Riise erkannte zudem die antiseptische Wirkung durch den beinhalteten Wirkstoff Eugenol und verfeinerte die Rezeptur durch einen doppelten Destillatauszug, unter Zugabe von Zitrusölen und Gewürzen wie Nelke, Kardamon und Zimt. Kein Wunder also, dass das außergewöhnliche Produkt mit gewohnten Duftnoten bei den Insulanern schnellen Absatz fand. Spätestens um 1900 war Bay Rum ein Exportschlager der dänischen Kolonien und durfte weder in Amerika noch in Europa auf keinem Friseur- oder Toilettentisch fehlen, verlieh es doch dem Haar einen seidigen Glanz und galt als Haarwuchsmittel.

Nachdem Albert Heinrich Riise 1879 der Insel St. Thomas den Rücken gekehrt und seinem Schwiegersohn die dortigen Geschäfte übertragen hatte, konnte er nach seinem Tode am 18. Oktober 1882 in Kopenhagen an diesen Entwicklungen nicht mehr teil haben. Ebenso entging ihm die Ehrung seiner Rum-Spezialitäten mit einer Goldmedaille anlässlich der Columbian Exposition im Jahre 1893. Dieses Ereignis sollte die Weichen für die weitere Produktpalette seines einstigen Unternehmens stellen, das bis heute unter dem Namen A.H.Riise Rum LLC.™ firmiert. Auch die stark würzige und zugleich süßliche Duftnote Bay Rum mit unverkennbarem Nelkeneinschlag reifte weiter und wird heute gerne für frisch-würzige Fantasienoten verwandt, hauptsächlich in Aftershaves.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.08. bis 31.08.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Am 14. Dezember 1916 erlebte Dänemark die erste Volksabstimmung seiner Geschichte. Gegenstand des Entscheides war das Schicksal der dänischen Kolonien in der Karibik. Am 1. April 1917 wechselte aufgrund des Volkswillens Dänisch-Westindien den Besitzer und wurde für 25 Millionen Dollar an die USA verkauft. Die Insulaner beharrten jedoch auf so manche Tradition, weshalb beispielsweise ihre Heimat das einzige Gebiet in den USA mit Linksverkehr darstellt.

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Juli 2016 – Von ewiger Jugend und amerikanischen Schönheitsträumen

Oder wie das Parfum ins Badewasser kam

Parfüm-Flakon „Youth Dew Skin Parfum“®; Estée Lauder Companies Inc.®, New York City/ Vereinigte Staaten von Amerika, 1950er Jahre

Parfüm-Flakon „Youth Dew Skin Parfum“®; Estée Lauder Companies Inc.®, New York City/ Vereinigte Staaten von Amerika, 1950er Jahre

Sammlung Beatrice Frankl/ Dauerleihgabe Carl August Heinz Stiftung 2016

„Die meisten Menschen benutzen ihre Jugend, um ihr Alter zu ruinieren.“, spöttelte einst der französische Schriftsteller und Moralist Jean de La Bruyère (*1645-†1696) über die Torheiten der jungen Adeligen am Versailler Hof. Und dennoch lag bereits Jahrtausende vor dem Glanz des französischen Hofes das Bestreben des Menschen darin, die Seele mit der Weisheit des Alters zu erquicken und den Körper gegen alle Gesetzmäßigkeiten der Natur zu verjüngen. Auf der Suche nach der Quelle des legendären Jungbrunnens, schreckte keine noch so abenteuerliche Gefahr; versprach er doch ewige Jugend und Schönheit. Der spanische Konquistador Juan Ponce de León (*um 1460-†1521) vermutete die Quelle sogar in der „Neuen Welt“ und sichtete am 27. März 1513 zum ersten Mal die Strände Floridas und somit Nordamerika. Rund 550 Jahre später war es eine New Yorkerin von ungarischer Abstammung aus den Arbeitervierteln von Queens, die dem amerikanischen Traum von Jugend und Schönheit ein Gesicht, bzw. einen Namen geben sollte.

„Esty“, wie Josephine Esther Mentzner (*1906-†2004) liebevoll in ihrem familiären Umkreis genannt wurde, verdiente ihr Geld als Kosmetikerin in einem Schönheitssalon. Ihr Wissen um die Herstellung von Hautcremes erlernte sie in den Abendstunden bei ihrem Onkel, der Apotheker war. Nachdem sie vier erfolgreiche Gesichtspflegemittel entwickelt hatte, beschloss sie 1946, zusammen mit ihrem Ehemann, eine Kosmetikfirma zu gründen, die ihren Namen tragen sollte. Estée Lauder® verstand es durch geschickte und bis dahin unbekannte Werbe-Ideen, wie der Geschenkzugabe eines Toilettenartikels bei Kauf einer Gesichtscreme, Aufsehen zu erregen. Doch schickte sich Estée Lauder® an den Parfummarkt zu erobern, der als schwierig galt. Einerseits waren Parfums in den konservativen Fünfzigern sehr teuer und reine Luxusartikel, andererseits wurde ein Parfum traditionell als romantisches Geschenk eines Mannes angesehen, so dass Frauen kaum eigenständig einen Duft erwarben.

Mit ihrem ersten Parfum „Youth Dew“®, brach Estee Lauder® mit herkömmlichen Konventionen ihrer Zeit und veränderte über Nacht das Gesicht der amerikanischen Kosmetikbranche. Der würzig-holzige Duft mit warmen orientalischen Eigenschaften, wurde ab 1953 als sinnlich-betörendes Badeöl vertrieben. Vorbei war die Zeit, als sich die Amerikanerinnen französisches Parfum nur tröpfchenweise hinter die Ohren tupften. Stattdessen schütteten sie sich „Youth Dew“® flaschenweise in das Badewasser. Das Konzept fruchtete und bescherte Estée Lauder® noch im Erscheinungsjahr einen Umsatz von 50.000 Dollar.

Dass jedoch auch der amerikanische Newcomer Estée Lauder® nicht ganz ohne französisches Flair auskam, bewies der vollendete Designauftritt von „Youth Dew“®. Nimmt die taubenblaue Satinummantelung und -fütterung der Umverpackung Bezug auf den Namen des Parfums – zu Deutsch Tau der Jugend -, so greifen die goldfarbenen Akzentuierungen den Grundgedanken des Damenduftes auf, die Schönheit zu bewahren und anhaltende Jugendfrische zu verleihen. Begleitend besticht das Flakon-Design in seiner Transparenz und klaren Linienführung, gekrönt von einem eingeschliffenen Glastop. Schließlich lag Estée Lauder® die Präsentation ihrer Produkte ebenso am Herzen, wie die Bedürfnisse ihrer Kundinnen, vertrat sie doch das Credo: „Schönheit ist eine Einstellung. Es gibt kein Geheimnis. Warum sind alle Bräute schön? Weil sie an ihrem Hochzeitstag darauf achten, wie sie aussehen. Es gibt keine hässlichen Frauen – nur Frauen, die sich nicht um sich kümmern oder glauben, sie seien nicht attraktiv.“…

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.07. bis 31.07.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Estée Lauder hätte am 01. Juli 2016 ihren 110 Geburtstag gefeiert. Sie verstarb am 24.04.2004 im hohen Alter von 98 Jahren als eine der reichsten Frauen der Welt. Dass sie gerne durch persönlichen Einsatz ihren Reichtum teilte, beweist bis heute ihr soziales und kulturelles Engagement, u. a. für Krankenhäuser, Universitäten und Museen. Deshalb verlieh ihr im Jahr 2004 der damalige US-Präsident George W. Bush die höchste zivile Auszeichnung, welche die USA zu vergeben hat: die Freiheitsmedaille (The Presidential Medal of Freedom).

 

Juni 2016 – Von römischen Frühlingsrosen und Dresdener Mundflora

Der “Odol-König” Karl August Lingner

Mundwasser-Flakon „Odol“® als Factise; Dresdner Chemisches Laboratorium Lingner®, Dresden/ Deutschland, ca. 1900-1912

Mundwasser-Flakon „Odol“® als Factise; Dresdner Chemisches Laboratorium Lingner®, Dresden/ Deutschland, ca. 1900-1912

Ankauf 2015

„Und während sie sprach, hauchte sie Frühlingsrosen aus ihrem Munde: Chloris war ich, die ich Flora genannt werde.“ So ließ der antike Versdichter Ovid (*43 v. Chr.-†17 n. Chr.) in seinen Metamorphosen die römische Vegetationsgöttin der Blüten zu Wort kommen. Später avancierte die Göttin zur Herrscherin des Pflanzenreiches, die ihr Pendant in Fauna, der Schwester oder Tochter des Faunus und somit als Göttin der Tierwelt fand. Die schier unüberschaubare und wuchernde Anzahl an “Untertanen” ließ Flora bald zu Synonyma in anderen Bereichen, wie beispielsweise der Humanmedizin werden. So etwa bei der Mundflora, welche die Gesamtheit aller in der Mundhöhle angesiedelten Mikroorganismen bezeichnet.

Eine gesunde Mundflora lag auch dem gebürtigen Magdeburger Karl August Lingner (*1861-†1916) am Herzen. Der in Dresden ansässige Unternehmer verstand es dem Bedürfnis der breiten Bevölkerungsschichten nach Schutz vor den unsichtbaren Bakterien Rechnung zu tragen. Am 3. Oktober 1892 gründete er das Dresdener Chemisches Laboratorium Lingner®, dass die Wiege des weltbekannten Mundwassers “Odol”® werden sollte. Lingner brachte das “Zahn- und Mundreinigungsmittel”, welches sein Freund und Chemiker Richard Seifert (*1861-†1919) entwickelt hatte, im Zuge der Firmengründung auf den Markt. Getauft wurde das antiseptisch wirkende und mit ätherischen Ölen angereicherte Produkt durch die Wahl eines Schachtelwortes, zusammengesetzt aus den jeweils ersten beiden Buchstaben des griechischen Wort odous für Zahn und dem lateinischen Wort oleum für Öl. Den wirtschaftlichen Erfolg, den Lingner mit seinem Mundwasser verzeichnen konnte, verdankte er einer bis dahin unbekannten, aber effektvollen Marktstrategie. Zum einen verbürgte sich Lingner mit der souveränen Aussage, dass sein Produkt als “Absolut bestes Mundwasser der Welt” anzusehen sei, was er im Jahr 1900 mit einer Odol®-Werbeanzeige bekräftigte, die für 1 Million Reichsmark in allen wichtigen Publikationen der Welt an einem Tag erschien. Zum anderen verpflichtete er zeitgenössische Künstlerpersönlichkeiten wie den Malerfürsten Franz von Stuck (*1863-†1928) oder den Maler und Bildungsbürger Arnold Böcklin (*1827-†1901) das Werbedesign auszuarbeiten. Das “odolsche” Charakteristikum schlechthin blieb das bis heute unverkennbare Design des Mundwasser-Flakons, aus weißem Opalglas mit gebogenem Hals. Die Symbiose aus unverwechselbarem Design und breit gefächerter Werbekampagnen zeigt auch die hier präsentierte Leerfactise eines Odol®-Mundwasser-Flakons. Das übliche Papieretikett wurde durch einen aufwendigen Aufbrand keramischer Druckfarben ersetzt, was wiederum eine “…unbegrenzte Verwendbarkeit zu Dekorationszwecken…” in Schaufenstern gestattete; bemerkt die rückseitige Beschriftung des Etiketts.

“Glück im Spiel, Pech in der Liebe”… diese Kehrseite seines beruflichen Erfolges, musste Lingner in seinem Privatleben hinnehmen. Auch der Adelstitel, um den er beim Deutschen Kaiser Wilhelm II. (*1859-†1941) ersuchte, blieb ihm verwehrt. Als Philanthrop und Initiator des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden, ereilte ihn als leidenschaftlicher Zigarrenraucher wohl der schlimmste Schlag. Er erkrankte unheilbar an Zungenkrebs, welcher den behandelnden Berliner Ärzten schließlich keine Wahl ließ. Der “Odol-König”, wie ihn liebevoll seine Dresdener nennen, stirbt am 5. Juni 1916 an den Folgen eines operativen Eingriffes, bei dem die Zunge entfernt wurde.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 06.06. bis 30.06.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Mit den Zerstörungen des 2. Weltkrieges wurden auch die Lingner-Werke® in Dresden in Schutt und Asche gelegt. Die Nachfolger Lingners verlegten die Produktion des begehrten Mundwassers ab 1949 an den Standort Düsseldorf. Auch die DDR produzierte in den neu gegründeten VEB Elbe-Chemie® in Dresden wieder “Odol”® in gewohntem Design. Dessen Frage klärte kurze Zeit später ein Gerichtsprozess, auf welchem hin die DDR gezwungen war ein neues, aber ebenfalls unverkennbares Flakon-Design zu entwickeln.