Objektbeiträge

November 2016 – Von kaiserlichem Badespaß und böhmischen Parfums

Der „K. u. K. Hoflieferant“ Franz Prochaska®

Miniatur-Flakon „Rose“®; Parfumerie- und Toiletten-Seifenfabrik Franz Prochaska®, Prag/ Kronland Königreich Böhmen, um 1900

Miniatur-Flakon „Rose“®; Parfumerie- und Toiletten-Seifenfabrik Franz Prochaska®, Prag/ Kronland Königreich Böhmen, um 1900

Ankauf 2016

Als Kaiser Franz Joseph I. von Österreich-Ungarn (*1830-†1916) am 21. November 1916 für immer die Augen schloss, gingen für den Landesvater eines Vielvölkerstaates und seiner Habsburgerdynastie eine Ära zu Ende. Nicht nur knapp 68 Regierungsjahre machten den „Ewigen Kaiser“ populär, sondern auch das moderne Medium der Fotografie, so dass er als meistabgelichtete Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts gelten darf. Schon deshalb war die kaiserliche Erscheinung immer angemessen adrett, bis hin zum respekteinflößenden Backenbart. Obwohl der Monarch als Privatmann über ein beträchtliches Vermögen verfügte – 1904 etwa, lag sein Jahresbudget bei ca. 19.323.000 Mark – war er ein sehr spartanischer Mensch, der sich mit wenig persönlichem Komfort begnügte. „Man sollte es zum Beispiel nicht glauben, dass weder in der Wiener Hofburg noch in Schönbrunn noch in Ischl ein Badezimmer vorhanden war.“, so sein Leibkammerdiener Eugen Ketterl (*1859-†1928) in seinen 1929 erschienen Memoiren. Der wohl intimste Diener seiner “Apostolischen Majestät” betrat jeden Morgen um halb vier Uhr dessen Appartement, eine Gummibadewanne hinter sich herziehend, um seinen Dienstherren zu wecken und von Kopf bis Fuß einzuseifen. Für seine Untertanen musste ein Kaiser vor allen Dingen gesund sein, weshalb dessen Körperpflege primär diesem Aspekt geschuldet blieb. Dennoch befand sich in seiner gut ausgestatteten „Hausapotheke“ das ein oder andere kosmetische Pflegeprodukt, wie etwa die mit Rosenwasser versetzte „Creme celeste“ (dt. himmlische Creme).

Als Gegenpol zu ihrem kaiserlichen Gemahl, setzte sich Sisi, wie Kaiserin Elisabeth (*1837-†1898) liebevoll genannt wurde, über alle Konventionen hinweg und führte ein strenges Reglement, wenn es um figurförderliche Ernährung, Sport und Schönheitspflege ging. Nicht von ungefähr bemerkte der Kaiser: „Nein, wie süß Sisi ist, sie ist frisch wie eine aufspringende Mandel und welch herrliche Haarkrone umrahmt ihr Gesicht!” und schwärmte weiter “Was hat sie für liebe, sanfte haselnussbraune Augen und Lippen wie Erdbeeren.”. Alles in allem gute Voraussetzungen, die Franz Prochaska® (*?-†?) bewogen schon im Jahre 1847 seine Parfumerie- und Toiletten-Seifenfabrik in Prag zu eröffnen. Damit war sein Unternehmen nicht nur das erste dieser Art in der Hauptstadt des Königreichs Böhmen, sondern auch bald das größte. Auffällig waren die Produktpräsentationen, die bewusst auf einfache und geschmackvolle Akzente setzten und die „übliche marktschreierische Einhüllung in die buntesten Vignetten vermied“. Beredtes Beispiel dafür ist der vorliegende, 6 cm hohe, schlicht facettierte Miniatur-Flakon mit eingeschliffenem Glasstopfen. Original verschlossen beherbergt er wohl eine natürliche Rosennote, denn das goldgeprägte Papieretikett weist keine detailreichere Namensnennung, wie etwa „Rose Reine“® oder „Extrait Rose Royal“® auf, welche Prochaska® 1906, bzw. 1908 lancierte. Auch das roséfarbene Textilband könnte dafür sprechen, ist es doch vorstellbar, dass der findige Unternehmer reine Blumennoten mit einheitlichem „Aufputz“ versah und lediglich die verschiedenfarbigen Bänder eine schnelle Unterscheidung erlaubten.

Als im Jahre 1876 die Söhne Franz und Anton als „K. u. K. Hoflieferanten“ die Firma übernahmen, war diese durch ihre Taschentuchparfums, Extraits und vielfältigen Seifenkreationen in Europa und Übersee längst bekannt. Die zahlreichen Ehrungen und Preise, welche vorzugsweise die Brüder Prochaska® in Wien (1873/ 87), Philadelphia (1876), Paris (1878/ 79) und Triest (1882) entgegennahmen, bewog sie ihrerseits, der Prager Landes-Jubiläumsausstellung im Jahre 1891, ihre wohl bekannteste Parfumkreation „Bouquet d`Exposition de Prague“® zu widmen. Vermutlich hat Kaiser Franz Joseph I. dieses Parfum nie benutzt, war er doch bekanntlich kein Freund des Fortschritts. Ungeachtet dessen dürfte es ihm auch zu teuer gewesen sein, denn wenn man seinem Leibkammerdiener Ketterl glauben mag, hätte man ihn mit lediglich fünf Gulden am Tag „durchgebracht“.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 03.11. bis 30.11.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Mir bleibt doch gar nichts erspart auf dieser Welt!”, ließ Kaiser Franz Joseph I. wissen, als er am 10. September 1898 telegrafisch von der Ermordung seiner geliebten Kaiserin erfuhr, die damit seinem Bruder und Sohn folgte. Leicht dürften ihm die letzten Regierungsjahre nicht gefallen sein, waren sie doch überschattet vom Beginn des Ersten Weltkrieges, in dessen Wirren der 86jährige Landesvater von 53 Millionen Untertanen am 21. November 1916 verschied.

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Oktober 2016 – Von Rache, süß wie die Liebe

Elizabeth Arden® und das Parfum „Cupid´s Breath“®

Parfum-Flakon „Cupid´s Breath“® mit Umverpackung; Elizabeth Arden®, New York/ Vereinigte Staaten von Amerika, nach 1928

Parfum-Flakon „Cupid´s Breath“® mit Umverpackung; Elizabeth Arden®, New York/ Vereinigte Staaten von Amerika, nach 1928

Schenkung 2015

„Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“, heißt es im Volksmund. Für die gebürtige Kanadierin Florence Nightingale Grahham (*1884-†1966) sollte es beruhigend sein, dass diese dritte Begegnung ausblieb. Schließlich schickte sich ab 1910 die junge Frau, unter dem Credo „concept of total beauty“ (dt. Konzept der vollkommenen Schönheit) an, den amerikanischen Kosmetikmarkt zu erobern. Mit zunächst 1.000 $ geborgtem Startkapital und einer eigenen Produktlinie unter dem Markennamen Elizabeth Arden®, schien dieser amerikanische Traum innerhalb von zehn Jahren Früchte zu tragen. Unglücklicherweise verfolgte die polnische Emigrantin Helena Rubinstein® (*1870-†1965) ähnliche Ambitionen, indem sie 1936 mit der Eröffnung eines eleganten Salons in unmittelbarer Nachbarschaft aufwartete. Die Klientel der Geschäftsmeile der Fifth Avenue zeigte sich davon wenig beeindruckt, schließlich war sie offen gegenüber jeglicher Luxuskosmetik mit qualitativ hochwertigen Wirkstoffen. Es begann ein gnadenloser Konkurrenzkampf, der die beiden Kosmetikpioniere ungewollter Weise auf fast fünfzig Jahre einte. Nicht selten wurden Werbestrategien bis hin zu einzelnen Produkten nebst dazugehöriger Verpackung kopiert. Selbst Fachpersonal wechselte die „Straßenseite“, was Elizabeth Arden® 1938 sogar mit dem Generalmanager ihrer Rivalin gelang. Die Rache von Helena Rubinstein® folgte ein Jahr später, indem sie den Ex-Gemahl von Miss Arden an die Spitze ihres Managements stellte. Wen wundert es also, dass bei solch harten Bandagen Elizabeth Arden® gegenüber ihrer Konkurrentin von „der schrecklichen Frau“ sprach.

Auch auf dem Parfumsektor wagte die Unternehmerin mit Hilfe von französischen Partnern ihr Glück. Im Jahre 1928 entstanden alleine sechs Parfumkreationen, wovon eine in einer Werbeanzeige von 1929 wie folgt beschrieben wird: „Es wurde in Frankreich für uns ein äußerst zartes, feines, unverwechselbares Parfum komponiert, lieblich betörend, getauft auf den Namen Cupid’s Breath®.“. Die lieblich-blumige Duftkreation stützte sich auf feine Fliedernoten, welche einen Hauch von wohligem Frühlingserwachen vermittelten. Diesem Empfinden verdankte das Parfum schließlich auch seine poetische Namensgebung, die sich im Deutschen mit „Amors Odem“ übersetzen ließe. In dieser fast romantischen Symbiose sah Elizabeth Arden® für ihr Produkt eine Werbebotschaft an alle frisch vermählten Frauen und werdenden Mütter: Der antike Liebesgott Amor beschert segensreiches Liebesglück.

Doch Glück ist so zerbrechlich wie das Glas des Flakons von „Cupid’s Breath“®. Deshalb verbarg sich das zierliche, rund 6 cm hohe und hexagonal facettierte Behältnis in einem gedrechselten Köcher aus Ahornholz. Handwerkliches Geschick bewies vor allem der von Hand eingeschliffene, diamantartig facettierte Glastopfen, welcher einst von einem goldfarbenen Versiegelungsband begleitet wurde. Ein plastisch ausgearbeitetes Papieretikett mit goldfarbener Folie rundete die edle Verpackung schließlich und endlich ab. Infolgedessen war es kein Wunder, dass „Cupid’s Breath“® mit 2 $ Verkaufspreis verhältnismäßig teuer war (um 1930 entsprach der durchschnittliche Monatsbruttoverdienst eines Nordamerikaners ca. 115 $). Dennoch konnte Elizabeth Arden® völlig unbescheiden – und wohl auch um ihre Rivalin Helena Rubinstein® herauszufordern – den Satz prägen: „Es sind nur drei amerikanische Namen, die in jeder Ecke der Welt bekannt sind: Singer Nähmaschinen, Coca-Cola, und Elizabeth Arden.” …

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 04.10. bis 01.11.2016

Künftiger Standort: Präsentation in der neukonzipierten Dauerausstellung – „Parfümflakons – Eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert“, ab 02.11.2016

Wissenswertes: Elisabeth Ardens Tod jährt sich am 18. Oktober 2016 zum 50. Male. Sie überlebte ihre lebenslange Rivalin Helena Rubenstein nur um eineinhalb Jahre. Erst durch ihren Tod erfuhr 1966 die Öffentlichkeit ihr wahres Lebensalter von 81 Jahren. Ein Geheimnis, das sie bereitwillig für den Anschein ewiger Jugend und den Marktstrategien ihres Unternehmens opferte. Jedoch zahlten sich ihre Bemühungen am Ende nicht nur finanziell aus. Für ihre neuen Impulse und Verdienste in der Kosmetikbranche, zeichnete sie die französische Regierung 1962 mit dem Orden „Légion d´honneur“ aus.

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September 2016 – Von bombastischer Theorie und praktischer Quacksalberei

Die Thüringer Olitäten als Volksmedizin

Olitäten-Flakon „Aechte Augsburger Lebens-Essenz“; unbekannter Hersteller, Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt/ Deutschland, um 1900

Olitäten-Flakon „Aechte Augsburger Lebens-Essenz“; unbekannter Hersteller, Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt/ Deutschland, um 1900

Sammlung Wilfried Kohl/ Schenkung 2016

„Die es gut meinen, das sind die schlimmsten!“ Mit diesen Worte ließ der im schweizerischen Egg geborene Theophrastus Bombastus von Hohenheim (*vermutlich 1492-†1541) seinem Ärger freien Lauf. Der unter dem Pseudonym Paracelsus praktizierende Arzt und Alchemist bezog sich dabei wohl auf seine weniger der Praxis, als mehr den Büchern zugeneigten Fachkollegen. Doch genau diese Praxis mit ihren empirisch aufgebauten Werten als auch die Betrachtungen des Makrokosmos, in welchem der Mensch nur eine untergeordnete Rolle spielte, waren für ihn und seine Lehre aus Natur- und Gotteserkenntnis stimmig. Vielleicht war auch das ein Grund für den promovierten Arzt, seine medizinischen Ansichten unabhängig seiner schriftlichen Veröffentlichungen durch Wanderschaft unter das Volk zu bringen.

Doch nicht jeder sah sich seinerzeit finanziell in der Lage, die Dienste eines ausgebildeten Arztes in Anspruch zu nehmen. Vor allem die in abgelegenen Gegenden lebende Landbevölkerung griff deshalb gerne auf die Dienste eines Heilkundlers oder Olitätenhändlers zurück. Olitäten (oleum = lat. das Öl), also flüssige, pulver-, pillen- und salbenförmige Volksarzneien, wurden seit dem 16. Jahrhundert auch im Thüringer Raum, allem voran im schwarzburg-rudolstädtischen Amt Königssee hergestellt. Lassen sich die unzähligen Elixiere, Tinkturen und Mixturen zum Teil auf Paracelsus zurückführen, trug deren Wirkung und geheime Zusammensetzung zuweilen ominöse Züge. In der Regel bestanden die „Universalbalsame“ und „Lebenselixiere“ jedoch aus heimischen Wald- und Gebirgskräutern, angereichert durch Beimengungen von tierischen und mineralischen Stoffen. Abgefüllt in Flakons der umliegenden Glashütten und gut verpackt in Spanschachteln, boten die Buckelapotheker ihre Waren bis nach Österreich, Polen oder den Niederlanden feil.

Aus der Fremde brachten sie neue Rezepte mit, wie die von Dr. Johann Georg Kiesow (*1718-†1786) erfundene Augsburger Lebens-Essenz, die bei „… verdorbenen Magen und allen Krankheiten, die aus demselben entstehen…“ half. An dem europaweiten Erfolg Kiesows gedachten die „sächsischen Königseer“ anzuknüpfen. Ihr Plagiat gaben sie gleichfalls in einen Vierkant-Flakon; mit geprägter Aufschrift „LEBENS-ESSENS“ – dabei allerdings mit einem „s“ anstatt mit einem „z“ geschrieben. Die Vorderseite versahen sie mit einem Papieretikett, das die wahre Herkunft aus dem Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt nicht verleugnete. Bei dem aufgedruckten Doppeladler handelte es sich aber nicht um den fürstlichen, sondern um eine kaiserliche Version, welcher lediglich der Reichsapfel in der linken Klaue fehlte. Ein bedeutendes Detail, denn Kiesow durfte vermutlich nur aufgrund des allerhöchst erteilten Privilegs von der kaiserlichen Insignie Gebrauch machen. Diesem Treiben konnten aber auch staatliche Einfuhrverbote nichts entgegensetzen, schließlich florierte allerorten der Olitätenhandel bis in das beginnende 20. Jahrhundert hinein.

Dass nicht alle Produkte dieses Gewerbezweiges einer vollen Genesung abträglich waren, zeigt sich am Beispiel der gegen Syphilis eingesetzten Quecksilbersalben, welche die Olitätenhändler bzw. Quacksalber – daher wohl die „Berufsbezeichnung“ – gleichfalls vertrieben. Der Rechtsgelehrte und Zeitgenosse von Paracelsus, Sebastian Brant (*1457 oder 1458-†1521), formulierte treffend: „Des Quacksalbers Praktik sei so gut, dass sie allen Siechtum heilen tut… Solch Narr kann dich in’n Abgrund stürzen, eh Du’s gemerkt, dein Leben kürzen!“…

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.09. bis 30.09.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: Präsentation in der Dauerausstellung – Technikgeschichte – Olitätenhandel

Wissenswertes: Paracelsus, dessen Todestag sich 2016 zum 475. Male jährt, starb am 24. September 1541 vermutlich an einer Vergiftung durch Quecksilber, das in der damaligen Alchemie gebräuchlich war. Seine Lehren lebten in den nachfolgenden Generationen von Ärzten und Heilkundigen bis auf den heutigen Tag weiter. Im Jahre 1904 kam Paracelsus durch seinen Taufnamen Theophrastus Bombastus von Hohenheim zu besonderen Ehren, indem er für die neugegründeten Bambastus-Werke KG® im sächsischen Freital als Namenspate fungierte. Eine Wahl, der sich der Hersteller durch seine Naturprodukte bis heute verpflichtet fühlt.

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