Objektbeiträge

Mai 2017 – Von alchemistischer „Goldmacherei“ und italienischem „Weana chic“

Die „Toilette“ der deutsch-römischen Kaiserin Maria Theresia

Parfüm-Flakon, unbekannter Hersteller, vermutlich italienisch, um 1740

Sammlung Sigrid Söhlke/ Dauerleihgabe Carl August Heinz Stiftung 2017

„Auro loquente omnis oratio inanis est.“ – „Wenn das Gold redet, dann schweigt die Welt.“ Ein lateinisches Sprichwort bringt jene Aufmerksamkeit und Euphorie auf den Punkt, die seit dem Mittelalter den sogenannten Alchemisten (altägyptisch „khem“ für „schwarz[e Erden]“) entgegengebracht wurde. Der natürlichen unvollkommenen Materie Perfektion durch Menschenhand zu verleihen, mag für sie ein Grund auf der Suche nach dem „Stein der Weisen“ gewesen sein; einer mystischen Tinktur, die es erlaubte, aus unedlem Metall Gold entstehen zu lassen. Letztendlich verdankte die Alchemie jedoch nicht dieser Aufgabe ihr Fortbestehen bis in das 20. Jahrhundert hinein. Die Erkenntnis und Herstellung von Arznei- und Wundermitteln zur Förderung des menschlichen Wohlbefindens legte als eigenständiger Zweig den Grundstein für die moderne Pharmazie.

Für den deutschen Alchemisten Alexander Freiherrn von Bernus (*1880-†1965) stellte die akribische Auseinandersetzung mit der Naturheilkunde zugleich eine Quelle für sein schriftstellerisches Schaffen dar. Ein galantes Gedicht an eine ältere Dame gräflichen Standes sollte ihm als Lohn eine wohl gehütete alchemistische Rezeptur von prominenter Herkunft einbringen. Ein Goldmacher habe es dereinst einer Hofdame übermittelt, die für keine geringere als die römisch-deutsche Kaiserin Maria Theresia (*1717-†1780) Dienst tat. Als Vertraute in Sachen Schönheitspflege setzte sie das Wundermittel eigenhändig an, um durch eine zusammenziehende, die Haut belebende und jung erhaltende Wirkung der Monarchin wohl zu tun. Tatsächlich erhielt sich die Mutter von sechzehn Kindern unter nie enden wollenden Enttäuschungen und Sorgen bis in das vorgerückte Alter ein jugendliches Aussehen. Obwohl Maria Theresia mit ihrer wienerischen Aussprache als recht bodenständig und leutselig galt, verstand sie in Bezug auf ihre Toilette keinen Spaß. Selten erschien der Herrscherin ihre Frisur gelungen, weshalb sie „zupfte“ und „rupfte“, bis die Zofen wiederholt die Haare richten und mit dem von ihr geliebten Spitzenhäubchen versehen mussten. Eigenart zeichnete sie mit zunehmendem Alter auch in ihrer Aversion gegen Parfum aus, dessen Verwendung sie ihren Hofdamen schlichtweg verbot. Dabei zählte sie zeitlebens zum erlauchten Kundenkreis des in Köln ansässigen Parfümeurs Johann Maria Farina (*1685-†1766). Sein „Eau de Cologne“ dürfte sie jedoch sparsam verwendet haben, suchte sie doch mit Steuererhöhungen und Einsparungen überflüssigen Luxus in den österreichischen Erblanden und die „Lotterwirtschaft“ am Hofe einzudämmen. „Eine Herrscherin mindert ihre Würde, wenn sie sich schmückt, und noch mehr, wenn sie es soweit bringt, dass sie derart beträchtliche Unsummen dafür ausgibt, und noch dazu in solcher Zeit!“ So ermahnte die Kaiserin im Jahre 1776 selbstkritisch ihre jüngste Tochter Königin Marie Antoinette von Frankreich und Navarra (*1755-†1793), die als „Madame Déficit“ von sich reden machte.

Dennoch florierte der inländische Warenhandel der habsburgischen Erblande, zu welchen seit 1738 auch das Großherzogtum der Toskana gehörte. Die reichen Handelshäfen Italiens zählten von je her als Umschlagplätze für edle Materialien und Duftessenzen aus dem Orient. Diesem Umfeld entstammt vermutlich auch der hier gezeigte, birnenförmige Parfüm-Flakon, dessen Silhouettenform einer Birnenfrucht ähnelt. Das Duftbehältnis aus feuervergoldeter Bronze zeigt sich reich ziseliert und punziert in der im mediterranen Milieu lebendig gebliebenen antikisierenden Ornamentsprache, die sich in den irisierenden Perlmutteinlagen noch fortsetzt. „Frau Kaiser“ – wie die einzige Regentin der Habsburgerdynastie von den Zeitgenossen zynisch betitelt wurde – hätte dieser Flakon aus „heimischer“ Produktion im „Weana chic“ entzückt. Für ihre unparfümierten Hofdamen wäre er dagegen ohne Inhalt nichts weiter als nutzlos-schmückender „französisch Kram“ (umgangssprachliche Bezeichnung für Galanterieware) gewesen.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 02.05. bis 31.05.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: Das Objekt wird vermutlich ab Mai 2019 erneut im Rahmen einer Sonderausstellung zu sehen sein, die sich umfänglich dem Flakon des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Sigrid Söhlke widmet.

Wissenswertes: „Man kann nicht leugnen, dass sie eine schöne Person ist.“, so die Meinung des preußischen Gesandten Otto Christoph Graf Podewils (*1719-†1781) über die fast gleichaltrige Kaiserin Maria Theresia, die vor 300 Jahren, am 13. Mai 1717 als Tochter des römisch-deutschen Kaisers Karls VI. (*1719-†1781) das Licht der Welt erblickte. Die sittenstrenge und energische Monarchin erbte einen Thron, den sie zeitlebens gegen kriegerische Übergriffe verteidigen musste. Mit ihrem Gemahl Franz I. Stephan verband sie eine in aristokratischen Gesellschaftskreisen unübliche innig-herzliche Liebe. Als sie am 29. November 1780, eingehüllt in den Hausmantels ihres „Franzl“, verstarb, wünschte sie sich im Doppel-Sarkophag mit ihrer großen Liebe in der Wiener Kapuzinergruft beigesetzt zu werden.

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April 2017 – Von königlichen Waschschüsseln und kaiserlicher Badeopulenz

Das römische Schönheitsideal unter Kaiser Caracalla


Balsamarium, Fundort Köln oder Xanten/ Römisches Reich, zwischen 100 bis 400

Ankauf 2013

„Es steht uns frei, ausgedehnte Bäder zu nehmen, doch die Sauberkeit unserer Leibwäsche und die reichliche Menge, die wir davon besitzen, sind mehr wert, als alle Bäder dieser Welt.“ Adäquater hätte der französische Architekt, Mediziner und Naturwissenschaftler Claude Perrault (*1613-†1688) die Badekultur seines Jahrhunderts kaum umschreiben können. Tatsächlich herrschte unter dem französischen Sonnenkönig Ludwigs XIV. (*1638-†1715) ein Hygienemodell, das den prägnanten Titel der „trockenen Reinigung“ erhielt. Diese vermied weitestgehend den Gebrauch von Wasser, das nach Aussagen der renommierten Ärzteschaft von Krankheitserregern wimmelte. Stattdessen bestand die Körperreinigung in einem Abreiben mit trockenen Tüchern, teils gepudert, wohl parfümiert und mit spitzenbesetzter Unterwäsche bedeckt, die allenthalben mehrmals am Tag wechselte. Somit verschoben sich die Prioritäten, indem die Waschschüsseln kleiner und die Parfüm-Flakons größer wurden. Die Verabreichung eines Bades, wie wir es heute kennen, geschah folglich bis Anfang des 18. Jahrhunderts hinein lediglich zu medizinischen Zwecken.

Gut 1.500 Jahre zuvor hätten „Caracalla“ (*188-†217) weit mürrischere Züge zu Gesicht gestanden, wären derlei Gepflogenheiten im Römischen Reich üblich gewesen. Tyrannisch, grobschlächtig und dem Cäsarenwahn verfallen, so beschrieben die Zeitgenossen den Kaiser, der eher als Feldherr denn als Monarch in die Geschichtsschreibung einging. Trotz seines herb-männlichen Aussehens zeichnete ihn ein ausgeprägtes Hygienebewusstsein aus – beispielsweise trug er gerne eine auf germanische Art frisierte blonde Perücke – welches er durchaus mit seinen römischen Untertanen teilte. Deren Sympathie versuchte er einerseits durch den Gesetzeserlass der Constitutio Antoniniana – die den meisten freien Bewohnern des Imperiums römisches Bürgerrecht verlieh – und andererseits im Bau einer großflächigen Thermenanlage zu gewinnen. Die nach ihm benannten Caracalla-Thermen in Rom wiesen gewaltige Ausmaße von 337 mal 328 Metern auf und luden den einfachen Bürger ebenso wie den Senator zu Erholung und Kurzweil ein. In einem opulenten Ambiente kleinteiliger Mosaiken, Marmorbeläge von den entlegensten Winkeln des Imperiums und kunstvollen Statuen, standen etwa 2.000 Badegästen nicht nur die Kalt- und Warmwasserbecken für Dampf- und Gesundheitsbäder, sondern auch Abteilungen zum Lesen, Ruhen oder für Sport, Massage und Kosmetik zur Verfügung. An keinem anderen Ort ließ sich das römische Schönheitsideal mehr verwirklichen, das einem gepflegten Äußeren und der körperlichen Wohlgestalt entsprach.

Wohlgestalt und Opulenz bewiesen auch die in Stein geschnittenen, aus Elfenbein, Bergkristall oder Onyx gefertigten Salb- und Parfümbehälter, die jedoch – wie das vorliegende Exemplar zeigt – vielfach schon aus mundgeblasenem Glas bestanden. Mit einem Stopfen versehen und durch eine Schicht aus Bienenwachs versiegelt, barg das Balsamarium sicher den wertvollen Inhalt. Eigens beschäftigte Parfüm-Sklaven überwachten die Herausgabe der vornehmlich aus fruchtigen und holzigen Duftnoten komponierten Essenzen. Ob Zitrusfrische, Gewürze des Orients oder der Blumengarten von Rose, Jasmin, Narzisse oder Lilie; der römischen Parfümeursnase stand darüber hinaus eine reiche Palette zur Verfügung, die mit Beginn der christlichen Zeitrechnung durch Destillation zu gewinnen war. „Gut riecht nur die Frau, die nach nichts riecht“, philosophierte Ciceros (*106 v. Chr.-†43 v. Chr.), seines Zeichens berühmtester Redner Roms. Den Thermenbesuchern scherte dies wenig, wenn sie sich von Parfüm triefend mit Frotteedecken aus samtweicher Wolle abtrocknen ließen.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 03.04. bis 30.04.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Der von Gestalt kleinwüchsige und robuste Kaiser Marcus Aurelius Severus erhielt außerhalb seines Anhängerkreises den Spitznamen „Caracalla“, abgeleitet von einem Kapuzenmantel keltischen Ursprungs, den er bevorzugt trug. Ist den historischen Quellen Glauben zu schenken, war die Beliebtheit Caracallas im Volke zwiegespalten. Innerhalb der Oberschicht von Adel und Senatoren war er allerdings verhasst. Aus dieser Eliteschicht sollten ihm auch seine Attentäter erwachsen, die den Imperator im Jahr 217 erdolchten. Somit jährt sich am 08. April 2017 sein Todestag zum 1.800sten Male. Der Leichnam des tragisch zu Tode gekommenen Kaisers wurde im Mausoleum Hadriani in Rom beigesetzt.

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März 2017 – Von politischen Aus- und kitschigen Abwegen

AVON®´s United States Capitol in der Box

After-Shave-Flakon „The Capitol“® mit Umverpackung; AVON Products Inc.®, New York City/ Vereinigte Staaten von Amerika, 1970er/ 80er Jahre

Schenkung 2013

„Viele Wege führen nach Rom.“ Jeder kennt die Bedeutung dieser alten Redewendung, aber kaum einer weiß um ihre Herkunft. In den meisten Erklärungsversuchen zeigt sich der Anspruch der Stadt Rom, einst politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der antiken Welt gewesen zu sein. Schuldig dürfte auch der erste römischen Kaiser Augustus (*63 v. Chr.-†14 n. Chr.) sein, ließ er doch im Jahre 20 v. Chr. eine vergoldete Säule aufstellen, auf welcher die Namen aller Hauptstädte der römischen Provinzen verzeichnet waren, zuzüglich deren Entfernung zu Rom. Glaubhaft, dass dem staunenden Betrachter die Kaiserresidenz als „Nabel der Welt“ vorkam – zu welcher offenbar alle Wege führten – schließlich befand sich die Säule im Stadtkern, dem Forum Romanum (lat. Platz). Dieses Machtzentrum lag inmitten einer Senke, umschlossen von drei der sieben Hügel der Stadt. Auf dem wohl bekanntesten – dem Kapitolshügel – thronte als geistig-religiöses Herz der bemerkenswerteste Tempel des Römischen Reiches. Das sogenannte Capitolium war ausschließlich den Stadtgottheiten, Göttervater Jupiter, seiner Gemahlin Juno und Minerva, der Göttin für Weisheit, Kunst und Krieg, geweiht. Der Tempel dieses Göttergestirnes fand mit der einsetzenden Antikenrezeption im 18. und 19. Jahrhunderts hinlängliche Beachtung. So erhielten in Anlehnung vergleichbare öffentliche Bauwerke wie beispielsweise das Kongressgebäude in Washington D.C., kurzerhand den Namen „Kapitol“.

Als der siebente Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 1829 sein Amt aufnahm, war das United States Capitol in sechsunddreißigjähriger Bauzeit vorerst fertig gestellt worden; wenngleich für amerikanische Verhältnisse unperfekt. „Amerikaner sind keine perfekten Menschen, aber wir befinden uns auf einer perfekten Mission“, soll Präsident Andrew Jackson (*1767-†1845) geäußert haben. Erfolge für die Kunst sah er in seiner Aussage sicherlich nicht. Nach dem Zweiten Unabhängigkeitskrieg (1812-1814) erschienen dem einstigen Republikanischen Demokraten die Stärkung des gewonnenen Nationalbewusstseins, die Expansion gen Westen und der Ausbau von Infrastrukturen weit wichtiger. Indem Jackson die Zerschlagung der Bank of the United States beförderte, welche durch ihre fragwürdige Kreditpolitik einer Mehrheit von Farmern die Existenz kostete, zeigte er sich den Problemen der einfachen Menschen zugewandt.

Ein solcher Farmerssohn namens David McConnell (*?-†?), der sich als Bücherverkäufer von Haus zu Haus verdingte, träumte gleichfalls von Volksnähe. Was mit Büchern möglich war, musste doch auch mit Parfums funktionieren, konstatierte er und gründete um 1893 im Alter von 28 Jahren ein Unternehmen. Die California Perfume Company® – wie sie zunächst hieß – griff in ihrer Verkaufsstrategie auf Hausfrauen zurück, die sich gegenüber einer Aufbesserung der Haushaltskasse aufgeschlossen zeigten. Kosmetische Produkte von Frauen für Frauen hieß das Konzept, mit dem die „AVON Ladies“ bei ihren Kundinnen punkteten. Die 1937 erfolgte Verlegung des Firmensitzes von Manhattan nach New York City ging parallel mit einer Namensänderung in AVON Productions Inc.® einher; in Erinnerung an den Standort des ersten Labors in Surrey, dessen landschaftliche Umgebung dem englischen Avon zum Verwechseln ähnlich sah.

Das AVON®-Produkt „The Capitol Avon Tribute After-Shave“® steht treffend für das zeitgenössische Modell der patriotistischen “Sternenbanner-Vermarktung”, den die Vereinigten Staaten von Amerika wie keine zweite Nation kultivieren. Das Washingtoner Kongressgebäude in der Box… einprägsamer ließe sich die Firmenphilosophie des Hauses AVON® in der Adaption aus goldtopas-transparentem Glas-Flakon und messingfarbenem Kuppelverschluss kaum darstellen. Hauptsache bunt und ausgefallen. Dabei erscheint es unerheblich, ob es sich um Kosmetika oder seit 1971 auch um Teller, Tasse, Nippesfigürchen oder Schmuck handelt. Wenngleich das kitschige Design im Hinblick auf die Realisierbarkeit von Menschheitsträumen einer Kapitulation gleich kommt, so bleibt der internationale Erfolg des amerikanischen Kosmetikherstellers eine Tatsache. Bestätigend hallen die Worte des deutschen Journalisten und Schriftstellers Kurt Tucholsky (*1890-†1935) wieder: „Kitsch ist das Echo der Kunst.“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.03. bis 02.04.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Der auf der 20-Dollar-Note abgebildete US-Präsident Andrew Jackson wurde am 15. März 1767 als Kind von nordirischen Einwanderern geboren. Sein Geburtstag jährt sich im März 2017 zum 250. Male. Eine weitere Version des „United States Capitol“ lancierte AVON® als After-Shave-Balsam in einem Flakon aus opalweißem Glas.

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