Objektbeiträge

Oktober 2015 – Von wahrer Unschuld und fehlgeleiteter Perfektion

Patrick Süskinds literarisches Meisterwerk „Das Parfum“®

Damenhandschuhe "DAS PARFUM – LIMITED EDITION 2006"®, Haarschaf Nappaleder, ungefüttert; Roeckl Handschuhe & Accessoires GmbH & Co. KG®, München/ Deutschland, 2006

Damenhandschuhe “DAS PARFUM – LIMITED EDITION 2006”®, Haarschaf-Nappaleder, ungefüttert; Roeckl Handschuhe & Accessoires GmbH & Co. KG®, München/ Deutschland, 2006

Schenkung 2015

„La fleur“, die Blüte, so wird in Frankreich jenes Strauchgewächs genannt, das Parfümeure gerne als „König der Blumen“ bezeichnen. Mit seinen zarten weißen Blüten und dem intensiv-süßlichen Duft gehört Jasmin zu den teuersten und edelsten Parfumessenzen. Noch lange bevor die aus Ostindien stammende Pflanze im 16. Jahrhundert nach Europa und damit in die südfranzösische Parfumstadt Grasse gelangte, wurde sie in der islamischen Poesie besungen. In den Erzählungen aus „Tausendundeiner Nacht“, versucht der Jasmin selbst die Deutung seines Namen: „Mein Name Yâs-mîn gibt ein Rätsel auf… Er setzt sich aus zwei verschiedenen Wörtern zusammen, Verzweiflung und Irrtum. Ich bedeute also in meiner stummen Sprache, dass die Verzweiflung ein Irrtum ist.“

In seinem 1985 erschienen Roman „Das Parfum“, lässt der deutsche Schriftsteller Patrick Süskind (*1949) eine Welt aus Verzweiflung und Irrtum erstehen, die sich auf die Sinneswahrnehmung des Riechens konzentriert. Diese faszinierende Komponente, lässt den Leser das 18. Jahrhundert der Romanfigur Jean-Baptiste Grenouille kennenlernen. Mit monomanisch-autistischen Zügen, charakterisiert er über seinen Geruchssinn eine Person, noch bevor er diese mit den Augen erblickt. Dass jedes Individuum seine eigentümliche Geruchsnote aufweist, wusste schon der französische Mediziner und Agrarwissenschaftler Jean-Joseph Brieude (*1729-†1812) zu berichten. In einem 1789 an die Société Royale de Médecine zu Paris gerichteten Brief erläutert er die Entwicklung der menschlichen Ausdünstungen von der Kindheit bis ins Greisenalter. Dem weiblichen Wesen der Frau schreibt er einen beständigen Geruch zu. „Ihr schlaffes und wenig beanspruchtes Gewebe stößt nur das Saure aus Ihrer Kindheit ab und verleiht ihrem Schweiß einen faden, süßlichen Geruch…“. Die Einmaligkeit dieses Geruches, zusammen mit der ausgesuchten Schönheit rothaariger junger Frauen, setzt Grenouille mit der Reinheit wohlriechender Blüten der Parfumgewinnung gleich. Ähnlich dem betörenden Duft der Jasminblüte verfällt er in einen Rausch von Sehnsucht, Hoffnung, Liebe und schließlich Verzweiflung und Irrtum. Dennoch gelingt ihm die Kreation des ultimativen Parfums, indem er den Körpergeruch jener Mädchen zu konservieren versteht, aus deren Reigen sich folglich ein überirdisches Duftfeuerwerk entfacht.

Die komplexe Thematik des Romans stellte ab 2001 den Filmproduzenten Bernd Eichinger (*1949-†2011) und seinen Regisseur Tom Tykwer (*1965) vor besonderte Herausforderungen. Der Erfolg unterstrich ihre Bemühungen, denn der Film überzeugte durch die Verleihung mehrerer Preise. Pünktlich zum deutschen Kinostart, am 14. September 2006, gab das Münchener Traditionsunternehmen Roeckl Handschuhe & Accessoires® seine Damenhandschuhe „DAS PARFUM – LIMITED EDITION 2006“® heraus. Damit knüpfte Chefdesigner Gebhard Müller (*19??) in direkter Anlehnung an den Film dessen Handlung, die Interieurs, Kostüme und historischen Vorlagen an. Schließlich bekleidete der ehemals Königlich Bayerische Hoflieferant bereits seit 1839 prominente Damenhände, wie jene der österreichischen Kaiserin Elisabeth (*1837-†1898). Ganz dem Credo des europäischen Marktführers für Lederaccessoires verpflichtet, gelang dem Chefdesigner eine Verknüpfung hauseigener Geschichte, mit jener Fiktion des Jean-Baptiste Grenouille, dessen Parfümeurs-Karriere letztlich mit etwas Leder begann… Leder für parfümierte Handschuhe.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.10. bis 01.11.2015

Künftiger Standort: Dauerausstellung – Duftraum

Ausblick:

 

September 2015 – Von rauschenden Bällen und duftenden Orangenblüten

Oder ein Menuett für den Sonnenkönig

Parfüm-Flakon "Bal à Versailles®" mit Umverpackung, PdT; Jean Desprez®, Paris/ Frankreich, 1980er Jahre

Parfüm-Flakon “Bal à Versailles®” mit Umverpackung, PdT; Jean Desprez®, Paris/ Frankreich, 1980er Jahre

Sammlung Beatrice Frankl 2012

Als vor 300 Jahren, am 01. September 1715, der französische König Ludwig XIV. (*1638-†1715) verstarb, erlosch für Frankreich jene Sonne, deren Wirken die wirtschaftlichen und künstlerischen Strukturen eines ganzen Jahrhunderts bestimmt hatte. Nachdem der vierzehnjährige König im Jahre 1653 in dem Ballet Royal de la Nuit die aufgehende Sonne verkörpert hatte, erhielt er seinen Beinamen als Sonnenkönig. So sah er sich gerne verglichen mit der mythologischen Göttergestalt des Apollon, der den Menschen Licht und Heilung bescherte, aber auch als Hüter der schönen Künste galt. Der Bau des märchenhaften Schlosses von Versailles unterstrich die Bemühungen Ludwigs XIV., als Förderer der schönen Künste aufzutreten. Der prächtig ausgestattete Regierungssitz erzeugte mit seinen weitläufigen Garten- und Parkanlagen einen würdigen Rahmen für rauschende Turniere, Feste und Bälle. Eine solche Kulisse bildete beispielsweise das mit Grottenwerk, Wasserkaskaden und -fontänen ausgeschmückte Bosquet de la Salle de Bal. Hier trat der König als begnadeter Tänzer in unzähligen Balletten auf und tanzte zwischen Orangen- und in Form gestutzten Buchsbäumchen seine Lieblingstänze, wie den des Menuetts.

Sicher hatte auch der französische Parfümeur Jean Desprez (*1898-†19??) ähnliche Vorstellungen vor Augen, die ihn zu jener Duftkreation inspirierten, mit der er 1962 seinen Karrieredurchbruch erlangen sollte. Bal à Versailles® nannte er sein neues Damenparfum. Ein Tanz aus nicht weniger als 300 Ingredienzien unterstrich die orientalische Üppigkeit, die sich in der Kopfnote u. a. den Zitrusgewächsen Orangenblüte und Neroli widmete, also jenen Duftessenzen die zur Zeit des Sonnenkönigs à la mode waren.

„Nichts kann für ein Parfum zu schön sein“, betonte Jean Desprez und beauftragte den Kreativen Pierre Dinand (*?-†?) mit der Gestaltung eines würdevollen Flakons. Hierbei griff der französische Star-Designer auf das Lieblingsinstrument des Gottes Apollon zurück. Als Gefäß des vielschichtigen Duftklanges diente somit formal die Lyra – die im Übrigen auch in grafischer Form auf der Umverpackung wiederzufinden ist. Den Abschluss bildet ein eingeschliffener Glasstopfen, welcher gleich dem kristallklaren Flakon vom traditionsreichen Glashersteller Pochet et du Courval® umgesetzt wurde.

Vielleicht dachte Jean Desprez, als er 1969 den Künstler Léon Leyritz (*1888-†1976) beauftragte einen weiteren Flakon aus feinem Sèvres-Porzellan zu kreieren, an die legendären „Domino-Maskenbälle“, die sich im Versailles des 18. Jhs. äußerster Beliebtheit erfreuten. So oder so wäre dies jedoch ein weiteres Kapitel aus den Annalen des Schlosses von Versailles und stünde unter dem Gestirn eines anderen Ludwig. …

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.09. bis 30.09.2015

Künftiger Standort: Dauerausstellung – Sammlung Beatrice Frankl

Ausblick:

 

August 2015 – Von Reiselust und des Rasierens Frust

Oder „mit Kaloderma® rasiert sich´s gut“

Präsent-Set-Kaloderma-Für-den-Herren-mit-Rasierwasser-und-Rasierseife-Friedrich-Wolff-Sohn-Karlsruhe-1960er-Jahre

Präsent-Set “Kaloderma® – Für den Herren” mit Rasierwasser und Rasierseife; Friedrich Wolff & Sohn®, Karlsruhe, 1960er Jahre

Sammlung Norbert Jährling 2014

Im Volksmund wir der Monat August gerne als Reisemonat bezeichnet. In früherer Zeit verstand sich das Reisen als zweckgerichtete Aktivität, welche zielgerichtet der Entdeckung, Eroberung und dem Handel unterlag, was sich nicht zuletzt in den althochdeutschen Bedeutung des Wortes reisa widerspiegelt, was soviel wie „Aufbruch, Zug oder Fahrt“ bedeutet. Mit beginnender Neuzeit entdeckte der Adel die wirtschaftliche und diplomatische Bedeutung des Reisens in der sogenannten Grand Tour (franz.; dt. große Reise). Sie verstand sich als vorrangig italienisch-französische Bildungsreise für jugendliche Adlige. Im letzten erzieherischen Feinschliff erwarben die meist männlichen Reisenden jene Weltoffenheit, die sie auf die künftigen Aufgaben des Regierens vorbereitete. Dass hierbei auch kurzweilige Vergnügungen Erholung ermöglichten, versteht sich für das heitere Spiel der Rokokogesellschaft von selbst. Mit dem aufkommenden Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre, genoss auch die deutsche Bevölkerung in den Urlaubsmonaten „la Dolce Vita“. Tatsächlich gehörte in den 1960er Jahren für mittelständisch aufstrebende Familien der Italienurlaub zum guten Ton.

Auch im Urlaub zählte, ob nun Frau oder Mann, ein adrettes Erscheinungsbild. Dazu gehörten eine gut sitzende Frisur und ein gepflegtes Gesicht. Bis auf den jugendlichen Trend des Soul Patch, einem kleinen Bartstreifen zwischen der Unterlippe und dem Kinn, blieben Bartfrisuren in den 1960ern eine Ausnahme. Der in Karlsruhe ansässige Kosemtikhersteller F. Wolff & Sohn®, schuf mit seiner Pflegemarke Kaloderma® umfangreiche Serien, die eine moderne Hautpflege erlaubten. Schließlich suchte man dem Markennamen gerecht zu werden, der in seiner Wortschöpfung auf die griechischen Wörter kalos für schön und derma für Haut Bezug nahm. Nachvollziehbar also, dass Man(n) gerne der oftmals lästigen Bart- oder in diesem Falle bartlosen Gesichtspflege nachkam. Unvorsichtiges Agieren mit Blutverlust wurde Dank der Komponenten von Arnika und Hamamelis schnell vergessen, wirkten sie doch auf natürliche Weise blutstillend, entzündungshemmend, adstringierend und beugten dem Juckreiz des nachwachsendem Haares vor. Auf junge und freche Trends reagierte man ebenso gerne, wie auf die Bedürfnisse der fortschreitenden Technisierung. So  etwa ein Rasierwasser für die Elektrorasur, das Kaloderma® 1960 eigens lancierte . Bis 1969 wurde schließlich das Pflegeprogramm für den gut rasierten Mann durch Kaloderma®-Rasierschaum, -seife, -creme, und -wasser komplettiert. Für den französischen Schauspieler und Sänger Fernand Joseph Désiré Contandin (*1903-†1971) mag auch das kein Trost gewesen sein, behauptete er doch „man sollte schon deshalb kein langes Gesicht machen, weil man dann mehr zu rasieren hat“. …

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 06.08. bis 31.08.2015; HINWEIS: Die Präsent-Schachtel wird im Rahmen der Präsentation nicht gezeigt!

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: