Objektbeiträge

April 2016 – Von den Launen der Natur

Die Kunstglasbläserei Jostra® des Joseph Traut

Taschen-Flakons in Form von Schirmen; Joseph Traut - Jostra®, Neuhaus am Rennweg/ Deutschland, zwischen 1927-1935

Taschen-Flakons in Form von Schirmen; Joseph Traut – Jostra®, Neuhaus am Rennweg/ Deutschland, zwischen 1927-1935

Ankauf 2012

„April, April – der macht, was er will“, besagt eine alte Bauernweisheit. Wie kaum ein anderer Monat hängt dem April der Jahreszeitenwechsel mit seinen schnellen Witterungsumschwüngen nach. Aus diesem Grunde wurde er in früherer Zeit auch Wandelmonat oder Launing bezeichnet. Launisch zeigt sich dann auch meist der Zeitgenosse, der mit morgendlichem Blick aus dem Fenster prüft, welche Kleidung denn angemessen erschiene. Zwar könnte die Tageslosung auch „Schirm oder nicht Schirm“ heißen, aber meist erweist sich dieser auch ohne Charme und Melone als unverzichtbares Accessoire in diesen Tagen.

Jedoch war von alters her der Schirm nicht zwingend mit negativem Wetter verbunden. Längst sind sie aus der Mode geraten, die handlichen Sonnenschirme… Lange Zeit dienten sie vornehmen Damen als Schutz vor Sonnenstrahlung, galt doch ihr blasser Teint als Standes- und Abgrenzungssymbol gegenüber der hart arbeitenden Bevölkerung. Wenngleich die Ursprünge des Sonnenschirmes bereits im Altertum zu suchen sind, so setzte er sich in der gängigen Form und Größe erst im Laufe des 17. Jahrhunderts durch. So variierte er in Gestalt und Farbe, wechselte die Anzahl der Speichen und die Länge des Stiels, bis er zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem neuen Frauenbild aus der Mode geriet. Der Regenschirm hingegen trotzte allen Modeströmungen, als ein „…Schutzdach, damit es von deinem verehrungswürdigen Haupte den Regen abhalte.“, so einst die Beschreibung des wichtigsten Beraters Kaiser Karls des Großen (*747 o. 748-†814), Abt Alcuin von Tours (*735-†804).

Eine Prävention anderer Art bildeten die gläsernen Parfüm- und Eukalyptusölflakons des thüringischen Glasbläsers Joseph Traut (*1905-†1988). Skurril muten die figürlichen Gefäßformen an, die von kleinen Insekten, verschmitzten Teufelchen bis hin zu dekorativen (Regen)schirmchen reichten. Die hier gezeigten Exemplare fertigte der Glasbläser Otto Hähnlein (*1903-†1991) in Heimarbeit für die 1927 von Joseph Traut gegründete Kunstglasbläserei Jostra® in Neuhaus am Rennweg. Wurde das vor der Lampe verarbeitete Glas von der unweit gelegenen Glashütte Brehmenstall in Ernstthal zugekauft, destillierte die Ehefrau von Joseph Traut eigenhändig die zur Abfüllung dienenden Parfums. Angenehme Gerüche von Narzisse, Jasmin und Flieder drangen wohl häufig aus der heimischen Küche, die hauseignen Rezepturen verließen die Räumlichkeit dagegen nie. Mögen die blumigen Düfte seinerzeit schon leicht aus der Mode geraten sein, so sorgten die kunsthandwerkliche Ausführung und die wohlklingenden Namen von Narcissus, Jasmin und Lilas auf den goldfarbenen Papieretiketten für den nötigen Absatz. Ob nun als Kurgast aus dem nahegelegenen Luftkurort Lauscha oder der Käuferin in den USA, mit so einem Taschen-Flakon aus Thüringen ließ Frau sich farbenfroh und heiter durch den April geleiten…

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 04.04. bis 31.05.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

 

März 2016 – Von gewachsener Tierliebe und neckischen Ostergrüßen

Der Mops-Hund als Objekt der Begierde

Taschen-Flakon in Form eines Mops-Hundes und Einleger zum Osterfest; Parfümerie-Orchidea®, Dresden/ Deutschland, um 1939

Taschen-Flakon in Form eines Mops-Hundes und Einleger zum Osterfest; Parfümerie-Orchidea®, Dresden/ Deutschland, um 1939

Sammlung Beatrice Frankl 2012/ Schenkung 2015

Was des Kaisers Begehrlichkeit, erweckte sowohl in als auch „am anderen Ende von Europa“ – wie der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (*1646-†1716) das Chinesische Kaiserreich zu betiteln pflegte – die ungeteilte Aufmerksamkeit. Diese beanspruchte auch ein kleines Tier, dessen Rang jenem der kaiserlichen Gemahlinnen gleich kam. Wollte sich der Kaiser der Gunst eines anderen Würdenträgers versichern, so verschenkte er gerne einen „Kaiserhund“. Ähnlich dem Porzellan oder Tee, gelangte das Hündchen zunächst über die Handelsbeziehungen der Vereenigde Oostindische Compagnie in die damaligen Niederlande. Aufgrund seiner charakteristischen, schnaufenden Laute kam dort der „Mopperer“ zu seinen europäischen Namen.

Für die aristokratische Damenwelt des Rokoko avancierte der Mops – wie er bald im übrigen Europa genannt wurde – zum unverzichtbaren Wegbegleiter durch das heitere Spiel des unbeschwerten Daseins. Beseelt vom aufgeklärten Gedankengut, stand das possierliche Tierchen bei den Freimaurern in eigentümlichen Ehren. So sah der Aufnahmeritus des sogenannten Mops-Ordens für männliche wie weibliche Novizen eine Mutprobe von delikater Art vor. Diese bestand in einer Persiflage auf den Teufel, in welcher anstatt seines das Hinterteil eines Mopses geküsst werden sollte. Selbstverständlich achtete man peinlichst darauf, das edle Gemüt der aristokratischen Damen zu schonen, weshalb dieser Mops üblicherweise aus feinstem Porzellan bestand.

Das hier abgebildete Exemplar ist jedoch keineswegs aus Porzellan. Als ab 1918 die Züchtung und Verbreitung des Mopshundes eine erneute Blüte erfuhr, fand er fortan auch seinen Platz in der Damenhandtasche. Aufschluss über die Vielfalt von solchen figürlichen Taschen-Flakons aus Glas eröffnet ein Einleger zum Osterfest der “Parfümerie Orchidea”® in Dresden. Hermann Schöbel (*18??-†19??), der parallel auch Firmeninhaber der in der Großen Meissener Straße ansässigen Parfümfabrik “Contezza” war, hatte mehr als Grund zur Freude. Seine “Parfümerie Orchidea”® feierte 1939 ihr 50jähriges Bestehen, weshalb ein Jubiläumskatalog erschien, in dem zahlreiche Produkte von Kopfwässern über Seifen bis hin zu edlen Parfums glänzten. Vermutlich war der hier gezeigte Oster-Einleger Bestandteil dieses Kataloges. Egal ob Osterhase, Elefant, Katze oder Mops… alle diese verführerischen Kleinigkeiten im halbautomatisch gefertigten und handbemalten Flakon kosteten den Verbraucher lediglich 0,35 Reichsmark. Dem deutschen Humoristen Vicco von Bülow (*1923-†2011), alias Loriot, wäre seinerzeit die Qual der Wahl mehr als leicht gefallen, behauptete er doch “Ein Leben ohne Mops ist vorstellbar – aber sinnlos!”.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 07.03. bis 03.04.2016

Künftiger Standort: Dauerausstellung – Parfümflakons – Eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert

Wissenswertes: In der Dauerausstellung “Parfümflakons – Eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert” befinden sich noch viele weitere figürliche Taschen-Flakons aus der Zeit der 1920er bis 1950er Jahre, die neben Tieren und Menschen auch Fantasiegestalten, wie Mickey Mouse® und Donald Duck® zeigen.

 

Februar 2016 – Von Königswirrung und Sinnenverführung

Italienische Avantgarde geht auf Weltreise

Parfum-Spray "Pepe 467 - Bloody Mary"®, EdP, Limited Edition No. 3914; Parfums Bombay 1950®, Neapel/ Italien, vermutlich 2015

Parfum-Spray “Pepe 467 – Bloody Mary”®, EdP, Limited Edition No. 3914; Parfums Bombay 1950®, Neapel/ Italien, vermutlich 2015

Ankauf 2016

Am 18.02.1516 erblickte im englischen Greenwich ein Mädchen jene Welt, die im bald zur Feindin werden sollte. Die kleine Prinzessin Maria Tudor (*1516-†1558) war die erste Tochter jenes Königs Heinrich VIII. Tudor von England (*1491-†1547), der seine Ehefrauen auszuwechseln suchte, wie andere ihre Unterwäsche. Gezeichnet von den familiären und politischen Wirrungen ihres Vaters, strebte Maria nach dem frühen Tod ihres jüngeren Halbbruders König Eduard VI. Tudor von England (*1537-†1553) nach der Königswürde. Als erste regierende Monarchin Englands, war sie von dem Wunsch besessen, die Religionsreformen ihrer Vorgänger rückgängig zu machen. Unter dem fanatischen Einfluss ihres Ehemannes, König Philipps II. von Spanien (*1537-†1553), versuchte sie die englische Kirche neuerlich dem Katholizismus zuzuführen. Durch Verfolgung und Folter wurden unter der Herrschaft von Königin Maria I. Tudor von England fast dreihundert Protestanten hingerichtet, was ihr durch die Geschichtsschreibung schließlich den Beinamen Katholische oder Blutige (engl. Bloody Mary) eintrug.

Es wäre sicher tröstlich für die erste englische Königin, dass die wahrlich wenig schmeichelhafte Bezeichnung Bloody Mary heute eher unter den Cocktailgenießern bekannt ist. Den ersten Cocktail dieses Namens, aus gleichen Teilen Wodka und Tomatensaft, mixte der französische Barkeeper Fernand Petoit (*1900-†1975) vermutlich um 1921. Wahrscheinlich hatte „Pete“, wie er liebevoll von seinen Mitmenschen genannt wurde, im Bezug auf die Namensgebung kaum englische Geschichte im Kopf. Vielmehr soll er später einmal bestätigt haben, dass einer seiner „Jungs“ (einer seiner Kunden) sich schwelgend an ein Mädchen namens „Mary“ erinnerte, die in Chicago im Bucket of Blood Club gearbeitet haben soll.

Ebenso unkonventionell, avantgardistisch-frech, wirken die Luxuskreationen aus dem Hause Parfums Bombay 1950®. Das 2009 gegründete und in Neapel ansässige Unternehmen setzt bewusst Akzente in der Symbiose hochwertiger Materialität mit ausgesuchten Geruchskombinationen. Als Kommunikationspodium zeitgenössischer Parfumkunst, sind die Schöpfungen des Parfümeurs und Designers Luciano Sorrentino (*?) in der Tat mehr als ein paar Worte wert. Seine Designs versteht er als verbildlichte Abenteuer des Lebens, die es auf einer imaginären Reise von Florenz nach Bombay zu entdecken und natürlich zu erschnuppern gilt. Mit der limitierten Edition „Pepe – Drink“ erinnert er bereits in der Umfunktionierung eines Longdrinkglases als Umverpackung an Fernand Petoit. Darüber hinaus gelingt ihm ein Déja-vu-Erlebnis zwischen Geruchsgedächtnis und Sinneswahrnehmung. Abenteuerlich-global mutet auch die Komposition des 2013 lancierten Duftes “Pepe 467 – Bloody Mary”® an, der zu den Zitrusnoten Italiens, über indonesischen Pfeffer bis hin zu den holzigen Aromen Perus einlädt. Durch die Limitierung handnummeriert und -verpackt geht ein Parfumprodukt auf seine Reise, die sicherlich nicht nur von Florenz nach Bombay führt.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.02. bis 29.02.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot