Archiv des Autors: bloeffler

März 2016 – Von gewachsener Tierliebe und neckischen Ostergrüßen

Der Mops-Hund als Objekt der Begierde

Taschen-Flakon in Form eines Mops-Hundes und Einleger zum Osterfest; Parfümerie-Orchidea®, Dresden/ Deutschland, um 1939

Taschen-Flakon in Form eines Mops-Hundes und Einleger zum Osterfest; Parfümerie-Orchidea®, Dresden/ Deutschland, um 1939

Sammlung Beatrice Frankl 2012/ Schenkung 2015

Was des Kaisers Begehrlichkeit, erweckte sowohl in als auch „am anderen Ende von Europa“ – wie der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (*1646-†1716) das Chinesische Kaiserreich zu betiteln pflegte – die ungeteilte Aufmerksamkeit. Diese beanspruchte auch ein kleines Tier, dessen Rang jenem der kaiserlichen Gemahlinnen gleich kam. Wollte sich der Kaiser der Gunst eines anderen Würdenträgers versichern, so verschenkte er gerne einen „Kaiserhund“. Ähnlich dem Porzellan oder Tee, gelangte das Hündchen zunächst über die Handelsbeziehungen der Vereenigde Oostindische Compagnie in die damaligen Niederlande. Aufgrund seiner charakteristischen, schnaufenden Laute kam dort der „Mopperer“ zu seinen europäischen Namen.

Für die aristokratische Damenwelt des Rokoko avancierte der Mops – wie er bald im übrigen Europa genannt wurde – zum unverzichtbaren Wegbegleiter durch das heitere Spiel des unbeschwerten Daseins. Beseelt vom aufgeklärten Gedankengut, stand das possierliche Tierchen bei den Freimaurern in eigentümlichen Ehren. So sah der Aufnahmeritus des sogenannten Mops-Ordens für männliche wie weibliche Novizen eine Mutprobe von delikater Art vor. Diese bestand in einer Persiflage auf den Teufel, in welcher anstatt seines das Hinterteil eines Mopses geküsst werden sollte. Selbstverständlich achtete man peinlichst darauf, das edle Gemüt der aristokratischen Damen zu schonen, weshalb dieser Mops üblicherweise aus feinstem Porzellan bestand.

Das hier abgebildete Exemplar ist jedoch keineswegs aus Porzellan. Als ab 1918 die Züchtung und Verbreitung des Mopshundes eine erneute Blüte erfuhr, fand er fortan auch seinen Platz in der Damenhandtasche. Aufschluss über die Vielfalt von solchen figürlichen Taschen-Flakons aus Glas eröffnet ein Einleger zum Osterfest der “Parfümerie Orchidea”® in Dresden. Hermann Schöbel (*18??-†19??), der parallel auch Firmeninhaber der in der Großen Meissener Straße ansässigen Parfümfabrik “Contezza” war, hatte mehr als Grund zur Freude. Seine “Parfümerie Orchidea”® feierte 1939 ihr 50jähriges Bestehen, weshalb ein Jubiläumskatalog erschien, in dem zahlreiche Produkte von Kopfwässern über Seifen bis hin zu edlen Parfums glänzten. Vermutlich war der hier gezeigte Oster-Einleger Bestandteil dieses Kataloges. Egal ob Osterhase, Elefant, Katze oder Mops… alle diese verführerischen Kleinigkeiten im halbautomatisch gefertigten und handbemalten Flakon kosteten den Verbraucher lediglich 0,35 Reichsmark. Dem deutschen Humoristen Vicco von Bülow (*1923-†2011), alias Loriot, wäre seinerzeit die Qual der Wahl mehr als leicht gefallen, behauptete er doch “Ein Leben ohne Mops ist vorstellbar – aber sinnlos!”.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 07.03. bis 03.04.2016

Künftiger Standort: Dauerausstellung – Parfümflakons – Eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert

Wissenswertes: In der Dauerausstellung “Parfümflakons – Eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert” befinden sich noch viele weitere figürliche Taschen-Flakons aus der Zeit der 1920er bis 1950er Jahre, die neben Tieren und Menschen auch Fantasiegestalten, wie Mickey Mouse® und Donald Duck® zeigen.

 

Februar 2016 – Von Königswirrung und Sinnenverführung

Italienische Avantgarde geht auf Weltreise

Parfum-Spray "Pepe 467 - Bloody Mary"®, EdP, Limited Edition No. 3914; Parfums Bombay 1950®, Neapel/ Italien, vermutlich 2015

Parfum-Spray “Pepe 467 – Bloody Mary”®, EdP, Limited Edition No. 3914; Parfums Bombay 1950®, Neapel/ Italien, vermutlich 2015

Ankauf 2016

Am 18.02.1516 erblickte im englischen Greenwich ein Mädchen jene Welt, die im bald zur Feindin werden sollte. Die kleine Prinzessin Maria Tudor (*1516-†1558) war die erste Tochter jenes Königs Heinrich VIII. Tudor von England (*1491-†1547), der seine Ehefrauen auszuwechseln suchte, wie andere ihre Unterwäsche. Gezeichnet von den familiären und politischen Wirrungen ihres Vaters, strebte Maria nach dem frühen Tod ihres jüngeren Halbbruders König Eduard VI. Tudor von England (*1537-†1553) nach der Königswürde. Als erste regierende Monarchin Englands, war sie von dem Wunsch besessen, die Religionsreformen ihrer Vorgänger rückgängig zu machen. Unter dem fanatischen Einfluss ihres Ehemannes, König Philipps II. von Spanien (*1537-†1553), versuchte sie die englische Kirche neuerlich dem Katholizismus zuzuführen. Durch Verfolgung und Folter wurden unter der Herrschaft von Königin Maria I. Tudor von England fast dreihundert Protestanten hingerichtet, was ihr durch die Geschichtsschreibung schließlich den Beinamen Katholische oder Blutige (engl. Bloody Mary) eintrug.

Es wäre sicher tröstlich für die erste englische Königin, dass die wahrlich wenig schmeichelhafte Bezeichnung Bloody Mary heute eher unter den Cocktailgenießern bekannt ist. Den ersten Cocktail dieses Namens, aus gleichen Teilen Wodka und Tomatensaft, mixte der französische Barkeeper Fernand Petoit (*1900-†1975) vermutlich um 1921. Wahrscheinlich hatte „Pete“, wie er liebevoll von seinen Mitmenschen genannt wurde, im Bezug auf die Namensgebung kaum englische Geschichte im Kopf. Vielmehr soll er später einmal bestätigt haben, dass einer seiner „Jungs“ (einer seiner Kunden) sich schwelgend an ein Mädchen namens „Mary“ erinnerte, die in Chicago im Bucket of Blood Club gearbeitet haben soll.

Ebenso unkonventionell, avantgardistisch-frech, wirken die Luxuskreationen aus dem Hause Parfums Bombay 1950®. Das 2009 gegründete und in Neapel ansässige Unternehmen setzt bewusst Akzente in der Symbiose hochwertiger Materialität mit ausgesuchten Geruchskombinationen. Als Kommunikationspodium zeitgenössischer Parfumkunst, sind die Schöpfungen des Parfümeurs und Designers Luciano Sorrentino (*?) in der Tat mehr als ein paar Worte wert. Seine Designs versteht er als verbildlichte Abenteuer des Lebens, die es auf einer imaginären Reise von Florenz nach Bombay zu entdecken und natürlich zu erschnuppern gilt. Mit der limitierten Edition „Pepe – Drink“ erinnert er bereits in der Umfunktionierung eines Longdrinkglases als Umverpackung an Fernand Petoit. Darüber hinaus gelingt ihm ein Déja-vu-Erlebnis zwischen Geruchsgedächtnis und Sinneswahrnehmung. Abenteuerlich-global mutet auch die Komposition des 2013 lancierten Duftes “Pepe 467 – Bloody Mary”® an, der zu den Zitrusnoten Italiens, über indonesischen Pfeffer bis hin zu den holzigen Aromen Perus einlädt. Durch die Limitierung handnummeriert und -verpackt geht ein Parfumprodukt auf seine Reise, die sicherlich nicht nur von Florenz nach Bombay führt.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.02. bis 29.02.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

 

Januar 2016 – Von westlichem „Dreck“ und östlichen Nasen

Dr. Günter Feustel und das DDR-Konsumgut Parfum

Präsentset Schwarzer Samt® mit Parfum-Flakon, Seife Umverpackung, EdC; VEB Rosodont Werk Miltitz (Sachs.)®, Miltitz Deutschland, zwischen 1964-1972

Präsent-Set “Schwarzer Samt”® mit Parfüm-Flakon und Seife, EdC; VEB Rosodont-Werk Waldheim (Sachs.)®, Waldheim/ Deutschland, vermutlich zwischen 1964 bis 1972

Dauerleihgabe 2013

“Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? …“, gab 1965 Walter Ulbricht (*1893-†1973) anlässlich der 11. Plenumssitzung des Zentralkomitees der SED zu Protokoll. Zwar zielte diese offensive Aussage des Staatsratsvorsitzenden der Deutschen Demokratischen Republik ab auf die unaufhaltsame Verbreitung der westlichen Rockmusik, doch mag im Unterton so manch Anderes mitgeschwungen haben. De facto verlagerte sich die Auseinandersetzung mit den vorgegebenen Werten des Politsystems, bedingt durch den anhaltenden Gütermangel der Nachkriegsjahre, auf das Schlachtfeld des Konsums.

Dies bekam auch Dr. Günter Feustel (*1932-†2014) zu spüren. Als Hoffnungsträger der Parfumentwicklung arbeitete er seit 1950 im damaligen VEB Schimmel Miltitz®. Dem Wissensschatz einer der bedeutendsten Bibliotheken zu natürlichen Duftstoffen und Geschmacksessenzen standen rund 600 bis 700 Duftnoten gegenüber. Gegenüber dem westlichen Klassenfeind verfügten Dr. Feustel und seine Mitarbeiter damit lediglich über die Hälfte an wünschenswerten Riechstoffen.

Ab den 1970er Jahren entstanden unter der Egide des Chefparfümeurs im nunmehrigen VEB Chemische Fabrik Miltitz® fast ausnahmslos die Parfumkreationen der DDR. Auf seine Zeitgenossen wirkte Dr. Feustel wie seinerzeit die französischen Parfum-Pioniere, aber keinesfalls so engstirnig wie die Fantasiegestalt des Signore Baldini in Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“ – wenngleich die „goldene Nase der DDR“ gezwungen war, westliche Parfums auf Geheiß der Staatsführung zu analysieren und mit geringen Mitteln zu kopieren. „Die Anregung kam meistens aus dem Westen“, so Dr. Feustel, „Und wie auch in der Modebranche waren wir immer ein bisschen hinterher, weil wir ja erst einmal abwarten mussten, was war im Westen modern, was war im Westen üblich.“.

Auch wenn der Konsum angeregt und das umlaufende Geld vom Bürger abgeschöpft werden sollte, so waren ausgewiesene Luxus-Plagiate dieser Art kaum für jedermann aus der sozialistischen Arbeiterschaft erschwinglich. Sofern wirtschaftliche Engpässe es zuließen, griffen deshalb Mann oder Frau auch gerne auf bodenständige Eigenkreationen, wie das im Jahre 1958 lancierte Parfum „Schwarzer Samt“® des VEB Rosodont-Werkes Waldheim (Sachs.)® der Marke Florena® zurück. Der Wiedererkennungswert des Parfums lag sowohl im Flakondesign mit seiner markanten, konischen Form, produziert im VEB Glaswerke-Piesau®, als auch im anfänglich verknotetem Schleifenband am „S“ des Schriftzuges – so im vorliegendem Beispiel zu sehen. Später zierte ein stilisierter Schmetterling das Etikett und die Verpackung – vielleicht eine Reminiszenz an das Markenzeichen des von Florena® übernommenen Parfumherstellers VEB Decenta Döbeln®? Äußerte sich die Popularität dieses Damenduftes einst in der Namensadaption für den DEFA®-Kriminalfilm „Schwarzer Samt“® aus dem Jahre 1964, so überraschte nach 2009 die Neulancierung durch die in Sachsen ansässige Firma Casino Parfuem Saxonia Fritzsche & Enders GbR®. Mag dieses Stück Geschichte nun zwischenzeitlich wieder vergriffen sein, was bleibt, ist die Erinnerung an eine Ära, ein Parfum, und einen Mann, der offensichtlich den richtigen „Riecher“ hatte. …

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 11.01. bis 31.01.2016

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: Integration in die Dauerausstellung – Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR (Sammlung Monika Jürgens-Winefeld, http://www.ddr-duftmuseum-1949-1989.de/), voraussichtliche Eröffnung in der zweiten Jahreshälfte 2018

Nachruf: Dr. Günter Feustel verstarb im Dezember 2014 im Alter von 82 Jahren. Wir sollten nicht traurig sein, dass wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein, dass wir ihn über so eine lange Zeit erleben durften.