Die Grenze um Tettau

Willi Kaufmann präsentiert im Europäischen Flakonglasmuseum die Ausstellung „Bewacher der Grenze“

In einer Sonderausstellung erinnern die „Glasbewahrer“ im Kleintettauer Flakonglasmuseum an ein unseliges Stück der deutsch-deutschen Geschichte. Bis voraussichtlich August präsentiert der Tettauer Willi Kaufmann seine bedrückende Dokumentation „Bewacher der Grenze“, die von Ute Schaller konzipiert wurde. Schließlich erlebte der Landkreis Kronach, nach 1945 von einem 102 Kilometer langen Stacheldrahtzaun regelrecht eingeschnürt, das  Nachkriegsdrama in besonderer Weise. Immer wieder war es zu schlimmen Szenen an der Demarkationslinie bei unterschiedlichsten Fluchtversuchen gekommen. Die gesamtdeutsche Bilanz ist

erschreckend. Viele hundert Menschen wurden entlang der 1400 Kilometer langen Grenze bei  Fluchtversuchen getötet. Die Grenzbefestigungen wurden durch die DDR im Laufe der Zeit immer weiter und effizienter ausgebaut. Minenfelder, Hundelauf-Anlagen, Schießbefehle und Selbstschussanlagen erschwerten ganz erheblich die Flucht in den Westen.

Jahrzehnte hatte der mittlerweile 90-jährige Willi Kaufmann die innerdeutsche Grenze direkt vor Augen. Seine Ausstellung, so der Initiator, solle mit dazu beitragen, dass die Zeit der Teilung Deutschlands nicht vergessen wird. Der Tettauer zeigt in seinen 150 Bildern

und Dokumenten sowie Zeitungen den Einsatz von Bayerischer Grenzpolizei, Zoll, Bundesgrenzschutz und amerikanischer Besatzungsmacht zwischen 1945 und 1990. Er selbst stand nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Jahre als Grenzpolizist und später als Landpolizist an der Grenze bei Tettau, war dann 20 Jahre bei der Passkontrolle in Ludwigsstadt beschäftigt.

„Das war eine Schicksal trächtige Zeit, in der ich den ganzen Wahnsinn mit erlebt habe.“ Jede Menge Geschichten könne er erzählen – von Menschen und deren Schicksalen, die mit der Teilung Deutschlands verbunden sind. Waren die Anfangsjahre nach der Teilung des Landes in Grenznähe noch von eher menschlichen Geschichten geprägt, so änderte sich das mit Stacheldraht und Minenfeldern nach 1960 dramatisch. „Die Russen“, erinnerte sich Kaufmann, „waren noch Ende der 40er-Jahre regelmäßig auf den Wildberg bei Tettau zum Kegeln gekommen. Hier trafen sich auch die Menschen beider deutscher Staaten, wenn es am Freitag nach der Arbeit Lohn gab und gemeinsam gefeiert wurde.“ Fast 60 Leute aus der DDR hatten damals in Tettau und Umgebung gearbeitet und waren jeden Tag über die Grenze gekommen. Bei Tettau, sagte Kaufmann, habe es viele Flüchtlinge geben, weil hier die Gegend waldreich ist und die Grenze schwer einsehbar war.
Zwischen Heinersdorf und Probstzella waren am Eisernen Vorhang 17 Menschen bei Grenzübertritten erschossen worden. „Mit Skiern kamen die DDR-Leute oftmals bei Nacht

und kletterten über den Grenzzaun.“ Als Willi Kaufmann bei der Passkontrolle war, hatten die Beamten auch einmal vier Menschen auf einem Gepäckwagen, verpackt in Kartons, entdeckt.
Für die Ausstellung hat der Tettauer aussagestarkes Material  zusammengetragen. Die Fotos zeugen unter anderem von Sicherungsmaßnahmen an der deutsch-deutschen Grenze und von den Besuchen prominenter Politiker. Willi Kaufmann hofft, dass möglichst viele Menschen sich mit  dieser Thematik befassen.

Sparkassen-Repräsentant Peter Ebertsch – von 1978 bis 1991 beim Zoll – ist beim Anblick der Bilder besonders berührt, denn sie erinnern an den kaum mehr nachvollziehbaren Wahnsinn. „Das war manchmal wie ein Alptraum.“ Als eine tolle Sache empfinden die beiden Vorstände der Glasbewahrer, Carl-August Heinz und Wolfgang Hammerschmidt, diese Dokumentation. Sie trage dazu bei, dass diese ehemals mörderische Grenze bei den Menschen, insbesondere bei den jungen Leuten, nicht in Vergessenheit gerät.

Gerd Fleischmann

W_Kaufmann

Der 90-jährige Willi Kaufmann (vorne im Bild) erläuterte beider Ausstellungseröffnung im Kleintettauer Flakon-Glasmuseum seine Grenzdokumente.