Monatsarchive: September 2018

September 2018 – Vom Duftakkord James Bond in „dur“®

Oder sozialistisches Produktabenteuer auf Old-School-English

Reise-Set „dur for men“® mit After-Shave, Eau de Cologne, Cream und Desodorstift im Etui; VEB Berlin Kosmetik®, Ostberlin/ Deutsche Demokratische Republik, 1975

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

“Mein Name ist Bond. James Bond.” Kaum ein zweites Zitat der Filmgeschichte hat höheren Bekanntheitsgrad erlangt als jenes des britischen Geheimagenten. Von Eingeweihten kurz „007“ genannt, flimmert der vormalige Romanheld seit Oktober 1962 über internationale Leinwände. Für seine Romane ließ sich der Brite Ian Fleming (*1908-†1964) unter anderem von seiner eigenen Geheimdiensttätigkeit während des Zweiten Weltkriegs inspirieren. Den Namen verdankte die Titelfigur allerdings dem Faible des Autors für Vögel und der damit erklärbaren Verehrung für den amerikanischen Ornithologen James Bond (*1900-†1989). Dabei neigt der Macho-Agent zu vielem, nur nicht zu Bürgerlichkeit! Im Dienste Ihrer Majestät ist er geradezu süchtig nach Aufregung und Adrenalin, präsentiert sich auf dem gesellschaftlichen Parkett als formvollendeter Gentleman und ist – ausgestattet mit der „Lizenz zum Töten“ – mehr als ein eiskalter Killer. Unweigerlich verfällt die Damenwelt dem gutaussehenden und immer adrett gekleidet Charmeur. Auch in Sachen Körperpflege beweist Bond eine gewisse Kennerschaft; so zu bemerken an dem Kommentar bezüglich des Namens seines Widersachers „Auric Goldfinger“: „Hm – klingt für mich wie ein französischer Nagellack“.

Für die wirtschaftliche Situation der Deutschen Demokratischen Republik in den 1960er Jahren hätte der Spezialagent des MI6 (Military Intelligence, Section 6) sicher auch die passende Antwort parat: „Geschüttelt und nicht gerührt“. Zwar ging selbst an diesem Teil Deutschlands das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre nicht spurlos vorüber, dennoch forderten Reparationen und Demontagen durch die Sowjets ihren Tribut. Zu allem erweckte die Fülle an westlichen Produkten des täglichen Bedarfs Begehrlichkeiten in der heimischen Bevölkerung, die doch lediglich gesund und sauber sein sollte. Assimilation westlichen Kulturgutes lautete schließlich der Kompromiss – sozialistische Ideologin „made in GDR“ (engl. German Democratic Republic). In dieser völlig neuen Tonart entwickelte der VEB Berlin-Kosmetik® in den 1960er Jahren schließlich seine Bond-Adaption „dur for men“®. Eine „Herrenkosmetik, mit der Sie Sympathie gewinnen“, so die Werbebotschaft an den kultivierten Abenteurer mit Weitblick.

Ob nun für die häusliche Pflege oder wie in unserem Beispiel für die praktische Inanspruchnahme auf Reisen, „dur for men“® setzte chypreartig-erdige Akkorde männlicher Markanz von „früh bis spät“. Der herben Frische lag erstmalig eine einheitliche Duftnote zugrunde, die laut Hersteller „den modernen Anforderungen [entspricht], die an derartige Kompositionen auf dem Weltmarkt gestellt werden“. Verpflichtend zeigte sich folglich auch die anglisierende Namensgebung der „dur“-Produkte, die von After-Shave, Shaving-Cream, Hair-Lotion, Eau de Cologne, Parfum de Toilette, über einen schweißhemmenden Desodorstift – last but not least – bis zu einer Halbfettcreme reichte, die sich schlicht und einfach „Cream“ nannte. Binnen kurzer Zeit für den betuchten Geldbeutel im Standardsortiment von Kaufhallen und Drogerien erhältlich, errang die neue Exklusiv-Serie anlässlich der Leipziger Herbstmesse 1966 sogar eine Goldmedaille für hervorragende Qualität. Selbst die Produktdesigner ließen sich von den stets widerkehrenden Materialengpässen kaum beeindrucken, was sich merklich im kreativen Werkstoffmix bestätigt. Auffallend für das Reise-Set sind die Klarglas-Flakons für 20 ml Eau de Cologne und After-Shave aus der Produktion des VEB Glaswerk Ernstthal®. Ganz dem Agenten-Idol verpflichtet, bestechen sie im quaderförmigen Aufbau mit abgekanteten Ecken und einer Riffelung für einen rutschfesten Griff. Papieretiketten in dem für die Serie typischen Signalrot mit weißfarbener Aufschrift und das edle, goldglänzende Kunststoff-Top sorgen für den ästhetischen Look. Daneben lässt das schwarze Etui aus Kunstlederimitat mit diagonaler Rotbesprühung erkennen, in welch wachsendem Maße die sogenannten Plaste und Elaste natürliche Materialien aus dem Sektor des sozialistischen Alltagsdesigns drängten. Den vollendet englischen Touch erreichte das Kollektivdesign schließlich mittels schwarz-weiß-karierter Tweed-Stoff-Optik am Innenfutter. Der absolute Geheimtipp dürfte jedoch die Luxusausgabe mit Parfüm, Seife und einem Miniatur-Oldtimer aus Plaste gewesen sein. Lebensgefühl Old-School-English für das Kind im real existierenden Mann von Welt!

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 03.09. bis 30.09.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Dem Kombinat VEB Berlin-Kosmetik® gehörten 1988 acht Volkseigene Betriebe mit zwanzig Betriebsteilen und somit 54 Produktionsstätten an. Damit zählte das „Haus im Dienste der Schönheit“ rund 8.600 Beschäftigte, die einen jährlichen Umsatz von etwa 3,2 Milliarden Ostmark erwirtschafteten.

Im Jahr 1965 lancierte das amerikanische Unternehmen Colgate-Palmolive® ebenfalls eine umfassende Herren-Pflegeserie, bestehend aus After Shave, Pre Electric Lotion, Rasier-Creme, Eau de Cologne, Hair Tonic, Puder, Seife und einem Deodorant. Die verblüffende Ähnlichkeit zu „dur for men“® verliert sich allerdings im Titel der Serie, da „007“® augenfällig auf James Bond Bezug nimmt.

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, im Jahr 2019.

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