Monatsarchive: März 2017

März 2017 – Von politischen Aus- und kitschigen Abwegen

AVON®´s United States Capitol in der Box

After-Shave-Flakon „The Capitol“® mit Umverpackung; AVON Products Inc.®, New York City/ Vereinigte Staaten von Amerika, 1970er/ 80er Jahre

Schenkung 2013

„Viele Wege führen nach Rom.“ Jeder kennt die Bedeutung dieser alten Redewendung, aber kaum einer weiß um ihre Herkunft. In den meisten Erklärungsversuchen zeigt sich der Anspruch der Stadt Rom, einst politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der antiken Welt gewesen zu sein. Schuldig dürfte auch der erste römischen Kaiser Augustus (*63 v. Chr.-†14 n. Chr.) sein, ließ er doch im Jahre 20 v. Chr. eine vergoldete Säule aufstellen, auf welcher die Namen aller Hauptstädte der römischen Provinzen verzeichnet waren, zuzüglich deren Entfernung zu Rom. Glaubhaft, dass dem staunenden Betrachter die Kaiserresidenz als „Nabel der Welt“ vorkam – zu welcher offenbar alle Wege führten – schließlich befand sich die Säule im Stadtkern, dem Forum Romanum (lat. Platz). Dieses Machtzentrum lag inmitten einer Senke, umschlossen von drei der sieben Hügel der Stadt. Auf dem wohl bekanntesten – dem Kapitolshügel – thronte als geistig-religiöses Herz der bemerkenswerteste Tempel des Römischen Reiches. Das sogenannte Capitolium war ausschließlich den Stadtgottheiten, Göttervater Jupiter, seiner Gemahlin Juno und Minerva, der Göttin für Weisheit, Kunst und Krieg, geweiht. Der Tempel dieses Göttergestirnes fand mit der einsetzenden Antikenrezeption im 18. und 19. Jahrhunderts hinlängliche Beachtung. So erhielten in Anlehnung vergleichbare öffentliche Bauwerke wie beispielsweise das Kongressgebäude in Washington D.C., kurzerhand den Namen „Kapitol“.

Als der siebente Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 1829 sein Amt aufnahm, war das United States Capitol in sechsunddreißigjähriger Bauzeit vorerst fertig gestellt worden; wenngleich für amerikanische Verhältnisse unperfekt. „Amerikaner sind keine perfekten Menschen, aber wir befinden uns auf einer perfekten Mission“, soll Präsident Andrew Jackson (*1767-†1845) geäußert haben. Erfolge für die Kunst sah er in seiner Aussage sicherlich nicht. Nach dem Zweiten Unabhängigkeitskrieg (1812-1814) erschienen dem einstigen Republikanischen Demokraten die Stärkung des gewonnenen Nationalbewusstseins, die Expansion gen Westen und der Ausbau von Infrastrukturen weit wichtiger. Indem Jackson die Zerschlagung der Bank of the United States beförderte, welche durch ihre fragwürdige Kreditpolitik einer Mehrheit von Farmern die Existenz kostete, zeigte er sich den Problemen der einfachen Menschen zugewandt.

Ein solcher Farmerssohn namens David McConnell (*?-†?), der sich als Bücherverkäufer von Haus zu Haus verdingte, träumte gleichfalls von Volksnähe. Was mit Büchern möglich war, musste doch auch mit Parfums funktionieren, konstatierte er und gründete um 1893 im Alter von 28 Jahren ein Unternehmen. Die California Perfume Company® – wie sie zunächst hieß – griff in ihrer Verkaufsstrategie auf Hausfrauen zurück, die sich gegenüber einer Aufbesserung der Haushaltskasse aufgeschlossen zeigten. Kosmetische Produkte von Frauen für Frauen hieß das Konzept, mit dem die „AVON Ladies“ bei ihren Kundinnen punkteten. Die 1937 erfolgte Verlegung des Firmensitzes von Manhattan nach New York City ging parallel mit einer Namensänderung in AVON Productions Inc.® einher; in Erinnerung an den Standort des ersten Labors in Surrey, dessen landschaftliche Umgebung dem englischen Avon zum Verwechseln ähnlich sah.

Das AVON®-Produkt „The Capitol Avon Tribute After-Shave“® steht treffend für das zeitgenössische Modell der patriotistischen “Sternenbanner-Vermarktung”, den die Vereinigten Staaten von Amerika wie keine zweite Nation kultivieren. Das Washingtoner Kongressgebäude in der Box… einprägsamer ließe sich die Firmenphilosophie des Hauses AVON® in der Adaption aus goldtopas-transparentem Glas-Flakon und messingfarbenem Kuppelverschluss kaum darstellen. Hauptsache bunt und ausgefallen. Dabei erscheint es unerheblich, ob es sich um Kosmetika oder seit 1971 auch um Teller, Tasse, Nippesfigürchen oder Schmuck handelt. Wenngleich das kitschige Design im Hinblick auf die Realisierbarkeit von Menschheitsträumen einer Kapitulation gleich kommt, so bleibt der internationale Erfolg des amerikanischen Kosmetikherstellers eine Tatsache. Bestätigend hallen die Worte des deutschen Journalisten und Schriftstellers Kurt Tucholsky (*1890-†1935) wieder: „Kitsch ist das Echo der Kunst.“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.03. bis 02.04.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Der auf der 20-Dollar-Note abgebildete US-Präsident Andrew Jackson wurde am 15. März 1767 als Kind von nordirischen Einwanderern geboren. Sein Geburtstag jährt sich im März 2017 zum 250. Male. Eine weitere Version des „United States Capitol“ lancierte AVON® als After-Shave-Balsam in einem Flakon aus opalweißem Glas.

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