Oder wie das Parfum ins Badewasser kam
Parfüm-Flakon „Youth Dew Skin Parfum“®; Estée Lauder Companies Inc.®, New York City/ Vereinigte Staaten von Amerika, 1950er Jahre
Sammlung Beatrice Frankl/ Dauerleihgabe Carl August Heinz Stiftung 2016
„Die meisten Menschen benutzen ihre Jugend, um ihr Alter zu ruinieren.“, spöttelte einst der französische Schriftsteller und Moralist Jean de La Bruyère (*1645-†1696) über die Torheiten der jungen Adeligen am Versailler Hof. Und dennoch lag bereits Jahrtausende vor dem Glanz des französischen Hofes das Bestreben des Menschen darin, die Seele mit der Weisheit des Alters zu erquicken und den Körper gegen alle Gesetzmäßigkeiten der Natur zu verjüngen. Auf der Suche nach der Quelle des legendären Jungbrunnens, schreckte keine noch so abenteuerliche Gefahr; versprach er doch ewige Jugend und Schönheit. Der spanische Konquistador Juan Ponce de León (*um 1460-†1521) vermutete die Quelle sogar in der „Neuen Welt“ und sichtete am 27. März 1513 zum ersten Mal die Strände Floridas und somit Nordamerika. Rund 550 Jahre später war es eine New Yorkerin von ungarischer Abstammung aus den Arbeitervierteln von Queens, die dem amerikanischen Traum von Jugend und Schönheit ein Gesicht, bzw. einen Namen geben sollte.
„Esty“, wie Josephine Esther Mentzner (*1906-†2004) liebevoll in ihrem familiären Umkreis genannt wurde, verdiente ihr Geld als Kosmetikerin in einem Schönheitssalon. Ihr Wissen um die Herstellung von Hautcremes erlernte sie in den Abendstunden bei ihrem Onkel, der Apotheker war. Nachdem sie vier erfolgreiche Gesichtspflegemittel entwickelt hatte, beschloss sie 1946, zusammen mit ihrem Ehemann, eine Kosmetikfirma zu gründen, die ihren Namen tragen sollte. Estée Lauder® verstand es durch geschickte und bis dahin unbekannte Werbe-Ideen, wie der Geschenkzugabe eines Toilettenartikels bei Kauf einer Gesichtscreme, Aufsehen zu erregen. Doch schickte sich Estée Lauder® an den Parfummarkt zu erobern, der als schwierig galt. Einerseits waren Parfums in den konservativen Fünfzigern sehr teuer und reine Luxusartikel, andererseits wurde ein Parfum traditionell als romantisches Geschenk eines Mannes angesehen, so dass Frauen kaum eigenständig einen Duft erwarben.
Mit ihrem ersten Parfum „Youth Dew“®, brach Estee Lauder® mit herkömmlichen Konventionen ihrer Zeit und veränderte über Nacht das Gesicht der amerikanischen Kosmetikbranche. Der würzig-holzige Duft mit warmen orientalischen Eigenschaften, wurde ab 1953 als sinnlich-betörendes Badeöl vertrieben. Vorbei war die Zeit, als sich die Amerikanerinnen französisches Parfum nur tröpfchenweise hinter die Ohren tupften. Stattdessen schütteten sie sich „Youth Dew“® flaschenweise in das Badewasser. Das Konzept fruchtete und bescherte Estée Lauder® noch im Erscheinungsjahr einen Umsatz von 50.000 Dollar.
Dass jedoch auch der amerikanische Newcomer Estée Lauder® nicht ganz ohne französisches Flair auskam, bewies der vollendete Designauftritt von „Youth Dew“®. Nimmt die taubenblaue Satinummantelung und -fütterung der Umverpackung Bezug auf den Namen des Parfums – zu Deutsch Tau der Jugend -, so greifen die goldfarbenen Akzentuierungen den Grundgedanken des Damenduftes auf, die Schönheit zu bewahren und anhaltende Jugendfrische zu verleihen. Begleitend besticht das Flakon-Design in seiner Transparenz und klaren Linienführung, gekrönt von einem eingeschliffenen Glastop. Schließlich lag Estée Lauder® die Präsentation ihrer Produkte ebenso am Herzen, wie die Bedürfnisse ihrer Kundinnen, vertrat sie doch das Credo: „Schönheit ist eine Einstellung. Es gibt kein Geheimnis. Warum sind alle Bräute schön? Weil sie an ihrem Hochzeitstag darauf achten, wie sie aussehen. Es gibt keine hässlichen Frauen – nur Frauen, die sich nicht um sich kümmern oder glauben, sie seien nicht attraktiv.“…
Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.07. bis 31.07.2016
Künftiger Standort: Sammlungsdepot
Wissenswertes: Estée Lauder hätte am 01. Juli 2016 ihren 110 Geburtstag gefeiert. Sie verstarb am 24.04.2004 im hohen Alter von 98 Jahren als eine der reichsten Frauen der Welt. Dass sie gerne durch persönlichen Einsatz ihren Reichtum teilte, beweist bis heute ihr soziales und kulturelles Engagement, u. a. für Krankenhäuser, Universitäten und Museen. Deshalb verlieh ihr im Jahr 2004 der damalige US-Präsident George W. Bush die höchste zivile Auszeichnung, welche die USA zu vergeben hat: die Freiheitsmedaille (The Presidential Medal of Freedom).